Deutsche Fintechs entdecken Influencer-Marketing – kann das gut gehen?

Fintechs wie N26 setzen jetzt auf Influencer. Doch lassen sich Finanzprodukte überhaupt auf diesem Weg bewerben?

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Jahrelang haben die meisten Fintech-Startups einen Bogen um Instagram-Stars gemacht. Um eine jüngere Zielgruppe zu erreichen, setzen sie nun zunehmend auf Influencer-Marketing. Doch lassen sich Finanzprodukte überhaupt auf diesem Weg bewerben?

Für gewöhnlich bekam Step immerhin ein paar Tausend Likes für seine Instagram-Posts. So richtig klappen wollte es mit dem Marketing allerdings nicht. Bei der amerikanischen Smartphone-Bank, die sich an Kinder und Jugendliche richtet, blieb es bei dem Grundrauschen in den sozialen Netzwerken.

Seit Kurzem ist alles anders. Das Fintech konnte die 16-jährige Charli D’Amelio von sich überzeugen: Die US-Amerikanerin ist ein Star der Zielgruppe, auf Tiktok war sie die erste Nutzerin mit mehr als 100 Millionen Abonnenten – und auf Instagram sind es immerhin 34 Millionen. Über den Account von D’Amelio explodierten die Likes für Step. Aus 4.000 Likes wurden 3,2 Millionen.

Hat die Branche einen Trend verschlafen?

Während die Werbung mit Stars aus den sozialen Netzwerken beispielsweise in der Mode- oder Fitness-Branche seit einigen Jahren üblich ist, waren Fintech-Unternehmen in der Vergangenheit bislang eher zurückhaltend. Vor allem in Deutschland gab es wenig bekannte Werbekooperationen. Die Finanz-Startups hierzulande setzen eher auf Online Marketing. Facebook, Google und TV-Spots. Sogar Plakatwerbung gehört zur Marketing-Strategie. „Wenn die digitale N26 dann doch analoge Werbung macht“, kommentierte ein Twitter-Nutzer 2018 belustigt. Und die Zinsplattform Weltsparen holte sich lieber ein altbekanntes Gesicht: Sie engagierte vor einigen Jahren den Tatort-Kommissar Miroslav Nemec.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Finance Forward. Auf dem Schwesterportal von OMR dreht sich alles rund um die Themen Fintechs, Kryptowährungen und Digital-Banking.

Das mag auch daran liegen, dass das Durchschnittsalter bei vielen Finanz-Startups erstaunlich hoch liegt. Meist zwischen 30 und 50. Doch zunehmend versuchen die Startups, nun auch eine jüngere Zielgruppe zu erreichen. Die Anlage-Startups Rubarb und Financery kooperieren beispielsweise mit Influencern, Deinestudienfinanzierung will erste Tests anstoßen und auch Deutschlands wichtigstes Fintech, die Smartphone-Bank N26, wirbt nun mit Influencern. Schnell stellt sich die entscheidende Frage: Hat die Branche einen Trend verschlafen – oder funktioniert der Werbeweg für Finanzprodukte einfach nicht?

„Die Marketing-Strategie von N26 ist veraltet“

Eine der ersten großen Kampagnen, die auch in Deutschland für Aufmerksamkeit sorgte, war mit dem amerikanischen Rapper Snoop Dogg. Er warb für den schwedischen Payment-Anbieter Klarna. „Keiner hat damals erwartet, dass die Kampagne so durch die Decke geht“, sagt Sibyll Brüggemann, die für Klarna das Marketing im deutschsprachigen Raum verantwortet. Der Musiker ist auch gleich bei dem Fintech eingestiegen. Es brachte die Marke, die sich in den Jahren zuvor gar nicht an Endkunden richtete, plötzlich auf den Radar von vielen Menschen. Gerade mit dem Ziel, eine hippe Marke aufzubauen, habe die Werbung geholfen, sagt Brüggemann im Rückblick. Es war auch ein gelungener Coup, um sich von den traditionellen Banken abzusetzen.

Das deutsche N26 und auch die anderen Smartphone-Banken waren dagegen bislang zurückhaltend. Sie verfügen zwar über optisch ansprechende Karten, alles ist Instagram-tauglich – doch auf große Influencer-Kampagnen setzten die Firmen bislang nicht. „Während N26 immer so tut, als würden sie die Welt neu erfinden, ist die Marketing-Strategie recht veraltet“, sagt Robin Kiera von der Beratungs- und Marketingagentur Digitalscouting. Mit Plakatwerbung, mit der das Berliner Fintech in Metropolen wie Paris, London und New York unterwegs ist, würde es seine Zielgruppe nicht optimal erreichen, analysiert der Experte.

N26 selbst verweist seit Jahren darauf, die meisten Neukunden über persönliche Empfehlung unter Freunden und Bekannten zu gewinnen, doch Kiera glaubt, das reiche nicht. „Sie müssen dort stattfinden, wo auch ihre potenziellen Kunden sind“, sagt Kiera. Auf Instagram hätten sie lediglich offensichtliche Werbe-Kampagnen geschaltet, auf TikTok noch gar nichts. Besonders um Millennials und junge Menschen zu erreichen, brauche es mehr als das, sagt Kiera. Die Inhalte dürften nicht nach einer klassischen Werbung aussehen, sondern müssten sich in die sonstigen Inhalte der jeweiligen Plattform einfügen. In anderen Branchen gehört das seit Jahren dazu, auf Instagram sind die Inhalte ästhetisch, auf Tiktok lustig.

Grüne Influencerin wirbt für grüne Bank

Bei N26 geht diese Strategie nun gerade los. Das neue Kontomodell lässt die Neobank etwa von drei Influencern bewerben, Anne Bodykiss aus dem Bereich Fitness, Kim Caramella für Lifestyle und Tech-Vlogger Jonah Plank. Statt die neuen Zielgruppen „nur einseitig mit kurzen Werbebotschaften zu konfrontieren“, wolle das Unternehmen in engen Kontakt zu den neuen Kunden kommen, so Marketingchef David Zander.

Doch dass Influencer-Marketing gerade in der regulierten Finanzbranche auch Probleme mit sich bringt, zeigt ein anderer prominenter Fall: Das gehypte Fintech Lanistar bekam kürzlich Ärger mit der britischen Finanzaufsicht. Über Nacht hatte das Startup, das mit Mastercard eine Kreditkarte anbieten will, insgesamt 3.000 Influencer engagiert, den anstehenden Launch zu bewerben, darunter auch Fußballer Kevin de Bruyne. Die Aufsicht warnte daraufhin sofort, dass Lanistar bislang keine Lizenz besitze, auch wenn es ein entsprechendes Angebot bewerbe. Eine herber Rückschlag für eine junge Firma.

Nicht zuletzt aus diesem Grund ist es umstritten, ob sich Influencer-Marketing für Fintechs überhaupt lohnt. Denn die Finanzprodukte passen oft nicht zu dem Image der Influencer – und sind deswegen im Zweifel auch nicht glaubwürdig. Finanzbloggerin Ellie Austin-Williams sagte gegenüber dem britischen Startup-Magazin Sifted etwa, dass Instagram-Posts für Fintechs wenig bringen würden. Es fehlen an dem Vertrauen für Ratschläge von Beauty-Bloggern zu Themen wie Bankkonten oder Geldanlage.

Grüne Influencerin wirbt für grüne Bank

Eine Mode-Influencerin habe beispielsweise nur ein Engagement von etwa 0,01 Prozent für ihre Bankwerbung erhalten, während ihr Durchschnitt bei etwa fünf Prozent liege. Das bedeutet: Fast niemand reagierte auf den Banken-Post. „Viele der Fintech-Kampagnen sind offenbar falsch ausgerichtet und konzentrieren sich oft nur auf die Reichweite statt auf die Relevanz“, zitiert das Startup-Magazin Austin-Williams.

Die Schwierigkeit ist es, passende Influencer für die richtigen Fintechs zu finden – das klappt nur selten. Ein Beispiel ist die österreichische Influencerin Madeleine Alizadeh, die sich mit ihrem Account Dariadaria auf nachhaltige Themen fokussiert. Kürzlich warb sie für die grüne Neobank Tomorrow, deren Alleinstellungsmerkmal nachhaltiges Investieren ist. Oder Madame Moneypenny, die in ihrer Community Frauen zu Investment-Themen berät, empfiehlt Aktiendepots mit geringen Gebühren.

Ähnlich ist es bei der 16-jährigen Charli D’Amelio, die für ein Konto für Jugendliche wirbt. In den Fällen passen Zielgruppe und Produkt tatsächlich zusammen. Bei D’Amelio ist es nicht bei der Werbung geblieben: Wie Snoop Dogg bei Klarna, beteiligte sie sich neben Justin Timberlake und den Chainsmokers kürzlich an einer Finanzierungsrunde über 50 Millionen Dollar an Step. Nun müssen aus den Fans, die viele Beiträge liken, allerdings auch noch Bankkunden werden. Dieser Beweis steht bislang noch aus.

Autor: John Stanley Hunter

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