Warum Kunden über 1.000 Euro für Rosen von diesem Unternehmen ausgeben

Martin Gardt5.3.2020

So hat es "Emmie Gray" geschafft, mit jahrelang haltbaren Rosen zweistellige Millionenumsätze zu generieren

Emmie Gray Gründer
Emmie-Gray-Gründer Paolo Oliva und Sarah Zergaw

Bis vor zwei, drei Jahren hätten Rosen in Boxen vor allem für Verwirrung gesorgt. Heute macht das Düsseldorfer Unternehmen Emmie Gray nur damit einen zweistelligen Millionenumsatz. Dabei sind die Rosen vorher durch einen komplizierten chemischen Prozess gegangen und deshalb bis zu drei Jahre haltbar. Wie das Unternehmen mit diesem komplett neuen Produkt 50 Bestellungen am ersten Tag verzeichnet hat, wie die Gründer Instagram-Gewinnspiele strategisch für das Account-Wachstum einsetzen und warum die Zielgruppe vor allem aus Männern besteht, lest Ihr hier.

„Wir haben Rosen in Boxen 2015 im Ausland gesehen und wollten das Produkt nach Deutschland holen“, sagt Emmie Gray-Gründer Paolo Oliva gegenüber OMR. Gemeinsam mit Sarah Zergaw gründet er das Unternehmen 2016 in Düsseldorf. Sie starten mit einfachen Rosen in Boxen. Noch vor dem Start entdecken sie aber sogenannte Infinity Rosen, die vor allem in Südamerika produziert werden. Dabei werden echte Rosen blütend geerntet und chemisch so behandelt, dass sie bis zu drei Jahre ihre Form behalten – und sich wie frische Rosen anfühlen. 

Gründer Emmie Gray

Die Emmie-Gray-Gründer Paolo Oliva und Sarah Zergaw mit einer Rosenbox

In schwarzen oder weißen Boxen angeordnet, entsteht so ein Einrichtungsstück für die Sideboards der Instagram-Generation. In Deutschland sind neben Emmie Gray die Unternehmen Fleurs de Paris und Grace aktiv – Paolo Oliva ist sich aber sicher, dass Emmie Gray hierzulande Marktführer ist.

Marktstart für ein unbekanntes Produkt

Unternehmen wie Emmie Gray & Co. zeigen, wie eine komplett neue Produktkategorie vom Start weg Käufer finden kann. Die Gründer Oliva und Zergaw sind dabei ganz clever vorgegangen. Mit dem Wissen, dass ihre Produkte vor allem bei visuellen Plattformen wie Instagram und Facebook gut ankommen werden, richten sie vor dem Verkaufsstart Accounts ein – und schalten für zehn Euro pro Tag Werbeanzeigen. Diese verweisen auf die Webseite, auf der es zu dem Zeitpunkt nur zur Eintragung in den Newsletter geht. Innerhalb der ersten zwei Monate sammelt Emmie Gray so ohne Produktverkäufe 1.500 Newsletter-Abonnenten, die auf den Marktstart der Rosenboxen warten. 

Zeitgleich aktiviert das Unternehmen Influencer zu einer Zeit, als Influencer Marketing noch wilder Westen war. „Bei unserem ersten Shooting hatten wir 30 Boxen übrig und haben die einfach an verschiedene Influencer geschickt. Dadurch hatten wir direkt eine große Aufmerksamkeit vor allem in der weiblichen Zielgruppe“, sagt Gründer Oliva. Drei Tage vor dem Launch startet ein Countdown auf Instagram und Facebook. Die Newsletter-Empfänger bekommen auch das Startdatum geschickt. „Am ersten Tag hatten wir direkt 50 Bestellungen“, erzählt der Gründer. Die Strategie erinnert an Drops aus der Streetwear-Szene (hier hatten wir darüber schon ausführlich berichtet).

Das Auf und Ab mit Gewinnspielen

Bis heute kommt 60 Prozent des Website-Traffics von Emmie Gray über Facebook und Instagram. Auf ersterer Plattform folgen der Brand über 140.000, auf letzterer 214.000 Fans. Wer sich das Wachstum des Instagram-Accounts etwa mit Hilfe des Analyse-Tools InfluencerDB anschaut, bemerkt immer wieder rapide Follower-Sprünge in kurzer Zeit. Das erklärt Paolo Oliva mit der Wachstumsstrategie Gewinnspiel. Mit reichweitenstarken Influencern habe das Unternehmen bisher fünf bis sechs Mal iPhones verlost. Für eine Gewinnchance mussten die Follower des Influencers unter anderem dem Instagram-Account von Emmie Gray folgen. Zuletzt hatte die Schnäppchenseite Dealbunny genau mit diesem Vorgehen 100.000 neue Fans in einer Stunde gewonnen.

Follower Emmie Gray

Die Follower-Entwicklung von Emmie Gray auf Instagram. Die Wachstums-Sprünge durch Gewinnspiele sind deutlich erkennbar (Quelle: InfluencerDB).

„Mit Gewinnspielen haben wir auch schon 100.000 neue Follower in 24 Stunden generiert. So eine Aktion kostet uns dann unter 10 Cent pro Follower. 20 Prozent davon sind nach zwei Wochen wieder weg, aber unter Umständen hast du 80.000 neue potenzielle Kunden“, so der Emmie-Gray-Gründer. Nach dem letzten Gewinnspiel verzeichnete das Unternehmen noch 244.000 Follower auf Instagram – seitdem sind 30.000 verloren gegangen. Trotzdem ist das Wachstum auf der Plattform seit Januar 2019 stark: Aus 75.000 wurden 214.000 Follower.

Langjährige Beziehungen

Der zweite wichtige Baustein für mehr Follower sind weiterhin Influencer – auch wenn Gründer Oliva da bremst. So zahle man nur sehr zurückhaltend und setze eher auf Micro-Influencer. „Mit Influencern wie Betty Taube sind wir gemeinsam gewachsen. Wir haben ihre Hochzeit ausgestattet. Bei langfristigen Partnerschaften funktionieren Barter Deals noch“, sagt er. Enge Kontakte wie zur erwähnten Ex-GNTM-Teilnehmerin Betty Taube (eine Million Follower) würden helfen, Posts auch von größeren Creatorn gegen eine Produktzusendung zu bekommen. 

Mit den meist weiblichen Influencern erreicht Emmie Gray aber nur einen Teil seiner eigentlichen Zielgruppe. „Heute kaufen zu 70 Prozent Männer bei uns ein, die den Frauen in ihrem Leben ein Geschenk machen wollen“, so Oliva. Daher schalte das Unternehmen zunehmend auf Männer zugeschnittene Werbung – etwa mit dem Versprechen, dass Rosenboxen eine sorgenfreie Geschenkidee für die Liebste seien. Manch ein Mann scheint es dann direkt zu übertreiben: „Der durchschnittliche Warenkorb liegt bei 80 Euro netto. Zum Valentistag schnellt der allerdings extrem hoch. Da kaufen einzelne Kunden auch mal für 1.000 Euro ein“, sagt der Emmie-Gray-Gründer. Der hohe Warenkorb-Wert ergibt sich vor allem aus dem hohen Preis der Produkte. Eine einzige Infinty Rose kostet etwa zehn Euro. Der Bestseller, eine schwarze Box mit 15 roten Rosen, kostet so zum Beispiel 135 Euro.

Heute wäre Brandaufbau schwieriger

Das Unternehmen verteilt seine Marketing-Ausgaben gleichmäßig auf die Männer- und Frauenzielgruppen, leider aber auch unter steigenden Preisen für das Schalten von Werbeanzeigen auf den Plattformen. „Noch bis 2018 waren die Kosten bei Facebook sehr gering. Das ist heute anders. Man muss sehr kreativ sein, um seine Zielgruppe anzusprechen. Dafür eignen sich Story-Ads zum Beispiel sehr gut“, sagt Oliva. Er gehe davon aus, dass eine Brand wie seine Schwierigkeiten hätte, heute so durchzustarten. Deshalb suche er nach neuen Wegen, unabhängiger von Instagram, Facebook & Co. zu werden. Das gelinge etwa durch den Newsletter mit heute 100.000 Abonnenten, Pop-Up-Stores in Breuninger-Kaufhäusern und das wachsende B2B-Geschäft. Armani hätte zum Beispiel für gute Kunden und die Presse Emmie-Gray-Blumen bestellt, um einen neuen Duft zu präsentieren. Porsche verschenke an viele Autokäufer eine Blumenbox. Andere Unternehmen würden sich mit den Blumen vor allem bei Kunden entschuldigen.

Zwei weitere Strategien sollen dabei helfen, dass sich der Umsatz weiterhin wie in jedem Geschäftsjahr verdoppelt. Zuerst soll die Internationalisierung helfen. „In Italien ist der CPM von Facebook-Ads immer noch gering – vergleichbar mit den Preisen in Deutschland von vor ein paar Jahren. Da sind wir vor knapp einem Jahr gestartet und hatten zum Beispiel dieses Jahr am Valentinstag einen vergleichbaren Umsatz zum Kernmarkt“, so Paolo Oliva. „Wir bieten schon jetzt eine weltweit garantierte Lieferzeit von einem Tag. Das macht die Internationalisierung einfach: Wir haben die Webseite in mehreren Sprachen aufgesetzt und machen die Logistik zentral aus Deutschland.“

Darüber hinaus soll die Brand in Zukunft für mehr stehen, als nur für haltbare Rosen. „Wir bauen um die Rose eine Produktpalette“, sagt der Gründer. „Alles, was im Interior-Bereich auf einem Sideboard stehen kann, soll von uns kommen können.“ Schon jetzt seien Duftkerzen und Vasen, die das Unternehmen auch in Sets mit seinen Rosenboxen anbietet, immer wieder ausverkauft. Besonders stressig sei das Geschäft rund um besondere Tage. Also vielleicht auch jetzt gerade wieder so kurz vor dem internationalen Frauentag.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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