Häagen-Dazs vs Halo Top: Wie die US-Eismarke auf Instagram um ihre Zukunft kämpft

Torben Lux7.9.2018

Das Traditionsunternehmen verpasst sich ein Rebranding, mit Ben & Jerry's und Halo Top dicht auf den Fersen

Haeagen-Dazs Halo Top Ben and Jerrys Rebranding Marketing OMR
Haeagen-Dazs Halo Top Ben and Jerrys Rebranding Marketing OMR

Fast 60 Jahre ist die Speiseeis-Marke Häagen-Dazs alt. Während die Eigentümer ein paar mal gewechselt haben, hat sich am Design und Branding wenig getan – bis jetzt. Mit dem ausgewiesenen Ziel, das hochpreisige Produkt „instagrammable“ zu machen, will sich das Unternehmen das größte Rebranding in der Firmengeschichte verpasst haben. Der Grund: neue, junge Konkurrenten, die den Markt disrupten. OMR erklärt den Kampf der Eiscreme-Firmen.

„Du willst vor allem keine veraltete Brand sein, also mussten wir uns modernisieren“, sagt Jennifer Jorgensen gegenüber Marketing Week. Sie ist Global Brand Director bei Häagen-Dazs und außerdem Vice President beim Mutterkonzern General Mills, für den sie seit über 20 Jahren in verschiedenen Funktionen tätig ist. 

1961 gründeten Reuben und Rose Mattus die Speiseeis-Marke – in der Bronx, und nicht, wie viele denken, in Dänemark. Der Name? Ein Fantasie-Produkt, er sollte vor allem einzigartig sein. Obwohl er eigentlich rein gar nichts mit der Sprache des Landes zu tun hat, sei er in Anlehnung an Dänemarks positives Image in den USA entstanden. „Das einzige Land, das Juden im zweiten Weltkrieg aufgenommen hat, war Dänemark“, sagte der 1994 verstorbene Gründer und Sohn jüdisch-polnischer Einwanderer einmal

„Instagrammable Designs“ für die Generation der Millennials

Am Namen wird auch heute, 57 Jahre später, nicht gerüttelt. Aber am Branding und an Marketing-Maßnahmen, weil die Generation der Millennials so zahlreich ist, wie Jennifer Jorgensen sagt. „Wenn wir diese Generation nicht mehr erreichen, geht unser Business in den nächsten 30 Jahren zu Ende.“ Die Erarbeitung eines neuen, moderneren Markenauftritts stehe daher vor allem unter einem Motto: „instagrammable“ muss er sein. 

Ganz neu ist der Trend zur „Instagrammability“ nicht. Mit der immer stärkeren Bedeutung der großen Plattformen, auf denen vor allem jüngere Generationen über Fotos kommunizieren, nimmt seit Jahren auch dieser Marketing-Ansatz zu. Unternehmen inszenieren ihre Marken-Auftritte inzwischen mit dem Ziel, Motive zu schaffen. Kunden sollen denken: „Das muss ich fotografieren und mit meinen Freunden teilen.“ Vor nahezu keiner Industrie macht dieser Trend halt: Von Museen, Restaurants und Häuserwänden über Klamotten-Labels bis hin zum Salat-Lieferservice hat er bereits einen festen Platz im Marketing-Mix zahlreicher Branchen gefunden.

Millennials sollen nicht denken, Häagen-Dazs sei Eis für ihre Eltern

Jennifer Jorgensen glaubt nicht daran, dass Marken wie Häagen-Dazs eine Wahl haben, ob sie beim „Instagrammabalitiy-Game“ mitmischen wollen. „Es spielt keine Rolle, welche Zutaten wir verwenden oder ob wir den besten Geschmack haben“, sagt sie gegenüber Marketing Week. „Wenn Millennials denken, ihre Mütter würden das Produkt kaufen, ist das der Todeskuss.“ Das steht im krassen Gegensatz zur Positionierung der Marke, die Gründer Reuben Mattus Häagen-Dazs verpasst hatte: Eiscreme für Erwachsene, hochpreisig, Premium-Segment. 

Seit drei Jahren ist das Unternehmen unter Jorgensens Führung jetzt dabei, das anzupassen. Die vom Business Insider als „it’s biggest rebrand ever“ beschriebene Transformation erfolgt allerdings nicht nur, um jüngere Zielgruppen besser anzusprechen. Es geht vor allem um Konkurrenz und junge Marken, die von Anfang an digital denken. „Bei so vielen riesigen, ikonischen Marken, die plötzlich entstehen, ist es eine wirklich unheimliche Zeit für Marketer“, so Jorgensen. „Es gibt sehr viel Disruption auf dem Markt.“

Starke Konkurrenz durch Halo Top und Ben & Jerry’s

Einer dieser jungen, wilden Konkurrenten ist Halo Top. 2017 vom Time Magazin zu einer der 25 besten Erfindungen des Jahres gekürt, ist das erst 2011 gegründete Unternehmen auf dem besten Wege, sich Marktanteile zu sichern, an denen auch Häagen-Dazs im Zuge der Verjüngungskur durchaus Interesse haben dürfte. Dass die Eiscreme, die sich mit deutlich weniger Kalorien von Anfang an als Lifestyle-Marke positioniert, nicht nur Buzz erzeugt, sondern auch wirtschaftlich enormen Erfolg hat, macht die Situation für Jennifer Jorgensen nicht gerade einfacher.

Die Eiscreme-Marken Häagen-Dazs, Halo Top Creamery und Ben & Jerry’s im weltweiten Vergleich bei Google Trends.

Von 2015 auf 2016 betrug das Wachstum von Halo Top 2.500 Prozent; wohlgemerkt in den USA, dem für Häagen-Dazs wichtigsten Markt. Und 2017 war Halo Top bereits das erfolgreichste Eis, wenn es nach Verkäufen der 500 Milliliter-Becher (engl. Pints) geht. In den zwölf Wochen bis Anfang August generierte das Unternehmen 86,9 Millionen US-Dollar Umsatz. Häagen-Dazs landete bei 78,6 Millionen US-Dollar und damit sogar nur auf dem dritten Platz – den zweiten Rang erklomm Ben & Jerry’s mit 83,3 Millionen US-Dollar. Den Vergleich der drei Player bei Google Trends entscheidet Häagen-Dazs hingegen noch für sich, auch wenn Halo Top Ende 2017 kurzzeitig dicht auf den Fersen war. 

Von TV zu Social: Marketing-Shift bei Häagen-Dazs

Im Zuge des Rebrandings wurde das Häagen-Dazs-Logo minimal und auf den ersten Blick kaum erkennbar geändert: Der schnörkelige Rahmen um den Schriftzug besteht jetzt nur noch aus einer Linie, dezente Schattenverläufe scheinen nicht mehr genutzt zu werden. Außerdem wurde mit der Agentur Love Creative ein neues Becher-Design eingeführt sowie die Einrichtung und Gestaltung der weltweit über 800 Brand-Stores überarbeitet. 

Dass diese kleinen Anpassungen bereits als großer Relaunch der Brand durchgehen, zeigt, wie lange die Marke an ihrem Auftritt festgehalten hat. Global Brand Director Jennifer Jorgensen weiß das – und begründet es mit dem Risiko, das bei jeder Änderung einer Marke dazugehöre. „Wir kannten die Gefahr, dass sich bestehende Kunden von der Brand entfremden. Darauf konnte die Marke aber keine Rücksicht nehmen.“ 

Der eigentliche Richtungswechsel und auch der entscheidende, wenn es darum geht, neue und jüngere Zielgruppen anzusprechen, dürfte allerdings bei der Wahl und Relevanz einzelner Marketing-Kanäle entstehen. Als Jorgensen 2014 anfing, am Auftritt der Brand zu arbeiten, sei sie nahezu zu 100 Prozent auf TV-Werbung fokussiert gewesen. Das soll sich in Zukunft immer stärker in Richtung Mobile und Social verlagern. Welcher Kanal wieviel Budget zur Verfügung hat, verrät Jennifer Jorgensen allerdings nicht, nur: „Die Ausgaben in nicht-traditionellen Medien sind unglaublich gestiegen.

Sponsorings als Schlüssel zum Erfolg?

Arjoon Bose, der Marketing-Boss von Häagen-Dazs in UK, bezeichnet vergangenes Jahr hingegen einen ganz anderen Kanal als Schlüssel, um wieder zu einer „ikonischen Marke“ zu werden. Seit 2016 ist die Brand offizieller Partner vom weltweit wichtigsten Tennis-Turnier Wimbledon. Ob das der entscheidende Faktor ist, um den globalen Umsatz von 2,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2016 weiter zu steigern? Der weltweite Eiscreme-Markt hat durch seine enorme Größe auf jeden Fall das Potenzial, durch das Gewinnen von Anteilen stark zu wachsen. Einer Studie zufolge soll er bis 2023 einen Wert von 89,5 Milliarden US-Dollar erreichen. 

Den simpelsten Beweis, welches Reichweiten-Potenzial Eiscreme wirklich besitzt, deutet übrigens der Youtube-Kanal von einem Hamburg an. Durch Zufall hatte Gil Grobe in einem Thailand-Urlaub einen kleinen Stand entdeckt, an dem sogenannte Ice-Cream-Rolls verkauft werden. Sein danach gestarteter Channel „Ice Cream Rolls“ hat heute 1,8 Millionen Abonnenten, über 230 Millionen Views – und gilt als weltweit größter Kanal zum Thema. Zum Vergleich: Der offizielle US-Kanal von Häagen-Dazs kommt auf 2.300 Abonnenten und rund 410.000 Views. Dafür erreicht der amerikanische Instagram-Kanal immerhin schon 112.000 Abonnenten – und der von Halo Top 719.000.

BrandingInstagram
Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

Alle Artikel von Torben Lux

Ähnliche Artikel

Aktuelle Stories und die wichtigsten News für Marketeers direkt in dein Postfach!
Zeig mir ein Beispiel