Edikted: Wie die Fast-Fashion-Brand in ihrem ersten Jahr Shein & Co. auf Tiktok schlägt

Martin Gardt22.3.2022

Trends erkennen, günstig produzieren, Social Media fluten: So geht Marketing für Mode bei der Gen Z

Edikted, eine neue Fast-Fashion-Brand
Edikted ist die neue Hype-Brand der Gen Z

Früher standen H&M, Zara und Asos synonym für die Fast-Fashion-Industrie. Bei der jüngeren Generation haben zuletzt Retailer wie Shein, Fashion Nova oder Bohoo enorm an Popularität gewonnen und verdienen mit schnell kopierten Trends und billigst produzierter Mode Milliarden. Der neueste Stern am Fast-Fashion-Himmel ist nun offenbar die israelische Fast-Fashion-Brand Edikted, nur ein Jahr nach ihrer Gründung. Wir zeigen, wie das Unternehmen virale Tiktok-Erfolge feiert, extrem schnell auf Trends reagiert und Nano-Influencer clever für sich einsetzt.

Vor fast zehn Jahren gründet Dedy Schwartzberg mit Adi Ronen seine erste Fast-Fashion-Brand „Adika“. Die beiden machen aus ihr schnell eine der erfolgreichsten Israelischen Modemarken, führen das Unternehmen an die Börse, expandieren in die USA und nach Großbritannien. Anfang 2021 schnappt er sich einige Mitglieder der Führungsmannschaft von Adika und gründet seine neue Firma Edikted (ausgesprochen wie das Englische „addicted“ – süchtig). Und setzt offenbar zu noch schnellerem Wachstum an.

Edikted-Webseite Screenshot

Vor allem bunt: Der typische Edikted-Style

Im ersten Jahr des Bestehens habe Edikted mehr Umsatz gemacht als Adika mit seinem US-Geschäft (insgesamt machte Adika 2020 einen Umsatz von über 70 Millionen US-Dollar). Das Playbook kennen wir von Marken wie Shein oder Fashion Nova: Trends erkennen, billig nachbauen, über Social Media in die Welt blasen. Obwohl Edikted noch jung ist, kann die Marke auf Social Media mit diesen Schwergewichten dank cleverer Strategien bereits mithalten.

Auch kleinste Influencerinnen einspannen

Edikted schafft es bereits im September 2021 laut Google die meistgesuchte Fashion-Brand der Gen Z zu werden. Immer wieder erreichen Tiktok-Posts der Marke selbst 500.000 bis eine Million Aufrufe – zumindest für so eine junge Brand beeindruckend. Dem Kanal der Marke folgen auf der Hype-Plattform knapp 175.000 Nutzende, auf Instagram sind es über 400.000. Das ist im Vergleich zu Fast-Fashion-Riesen wie Fashion Nova (21 Millionen Insta-Follower) oder Shein (23,6 Millionen) noch komplett zu vernachlässigen. Edikted sammelt seine Reichweite einfach auf den Kanälen anderer.

Das junge Unternehmen setzt auf die Kraft unzähliger Kundinnen und Influencerinnen, die Content mit den Klamotten der Marke en masse auf Tiktok und Instagram hochladen. Edikted setzt dabei nicht einfach nur auf die größten Netzstars und hohe Budgets. Stattdessen verschickt die Brand aggressiv ihre beliebtesten Stücke an unzählige Creatorinnen – von großen wie Addison Rae (87 Millionen Tiktok-Follower) bis hin zu den ganz kleinen mit unter 20.000 Fans. Weil bereits Normalo-Nutzerinnen über die Marke posten, wollen offenbar auch größere Influencerinnen mitreden und posten dann über Edikted. So geschehen bei Addison Rae, die die Marke in einem Video einfach trägt, ohne sie zu markieren – Edikted kann das Material dann selbst auf dem eigenen Kanal nutzen. Insgesamt kommen so allein auf Tiktok Posts zur Marke mit insgesamt 290 Millionen Views zusammen.

Als Mechanismus, um aus den Views auch Käufe zu generieren, setzt Edikted personalisierte Codes ein. Jede noch so kleine Influencerin bekommt ihren Code und nennt diesen dann auf den eigenen Kanälen. Ihr einziger Anreiz ist dabei offenbar, dass sie mit solchen personalisierten Codes wie bekannte Influencer:innen wirken. Geld verdienen sie damit aber nicht. „Wir haben kein Affiliate-Modell bisher“, sagt Edikted-CMO Dana Israeli gegenüber Glossy. Wenn wir mit Influencerinnen arbeiten, fragen wir sie einfach, ob sie einen Coupon Code brauchen. Wenn nicht, ist das auch okay. Das ist einfach ein Bonus für ihre Freunde und Follower.“

Virale Verkaufs-Trends nutzen

Edikted hat es durch diese Content-Schwemme über Nano-Influencerinn jetzt bereits in die Köpfe der Gen Z geschafft – und macht sich zusätzlich auch Tiktok-Trends zunutze. Im vergangenen Jahr ging der Hashtag #TikTokMadeMeBuyIt viral. Hier zeigen Nutzende Produkte, die sie nur gekauft haben, weil sie sie auf der Hype-Plattform gesehen haben. Immer wieder sorgen einzelne Viral-Clips für ausverkaufte Produkte.

Der Hashtag kommt mittlerweile auf knapp zehn Milliarden Views. Und Edikted kann diese riesige Aufmerksamkeit für sich nutzen – aufgrund der auffälligen pinken Produktverpackung: „Wir haben viele Influencerinnen und Kundinnen angesprochen, damit sie Hauls und Unboxing-Videos mit unserer pinken Verpackung produzieren“, sagt CMO Israeli. „Nach wenigen Wochen war das ein viraler Trend auf Tiktok. Neue Kundinnen wollten Teil der Community werden und selbst solche Videos machen, ohne dass wir sie gefragt haben.“

Das klingt alles danach, als würde Edikted kaum Marketing-Budget für die Social-Reichweiten einsetzen müssen. Die Wahrheit dürfte anders aussehen. Neben den Kosten für die an Influencerinnen versendeten Klamotten dürfte die Marke größere Creatorinnen auch bezahlen. Und eine Strategie kostet auf jeden Fall Geld: Die Models, die auf den Social-Kanälen und auf der Webseite auftauchen, sind jeweils selbst reichweitenstarke Influencerinnen. Die Zwillinge Renee und Elisha Herbert sind die Gesichter von Edikted und kommen auf 1,7 und 1,6 Millionen Follower auf Instagram. Auf die Posts mit den beiden und weiteren reichweitenstarken Models schaltet die Brand außerdem im großen Stil Ads auf Instagram. All diese Social-Strategien zusammen, scheinen die Verkäufe schnell angekurbelt zu haben. „Innerhalb des ersten Monats von Edikted [Januar 2021] waren unsere KPIs schon zehn Mal höher als erwartet“, sagt Gründer Dedy Schwartzberg gegenüber Glossy.

Trends on demand produzieren

Was ist das aber für eine Mode, auf die die 18 bis 25-jährige eher weibliche Zielgruppe so abfährt? Edikted setzt vor allem auf den gerade angesagten 2000er Stil: kurze Tops, Jeans mit Schlag, bunte Statement-Shirts, knallige Farben. Alles ein bisschen Britney Spears in ihrer berühmtesten Phase. Das große Hit-Kleidungsstück der Marke ist die „Luna Flare Jean“, eine ausgestellte Jeans im schwarzen Leder-Look. Auch die wurde hundertfach mit dem Hashtag #TikTokMadeMeBuyIt gepostet. Preislich liegt Edikted zum Teil sogar über der Konkurrenz. Die Jeans kostet zum Beispiel knapp unter 60 Euro, Tops liegen die 20, T-Shirts bei 25 Euro. Bei Shein gibt’s ein Shirt auch schonmal für unter zehn Euro.

Bestseller von Edikted

Die Bestseller von Edikted zeigen, was die Kundschaft bei der Marke sucht

Edikted setzt aber trotzdem voll auf das zentrale Element von Fast Fashion: Trends so schnell wie möglich auf die Straße bringen. „Gen Z ist sehr Trend-fokussiert und Trends bewegen sich derzeit unglaublich schnell. Wir haben gelernt, die Nachfrage für bestimmte Trends zu identifizieren und diese dann schnell auszuliefern“, sagt Gründer Schwartzberg. Die Inspiration komme häufig aus der Modeszene aus Los Angeles. „Und wir schauen konstant auf Social Media, bei Prominenten, im Street Style und auf Fashion Shows, was neu, spannend und wahrscheinlich bald trendy sein wird.“ Um die Konkurrenz mit Schnelligkeit zu überbieten setze Edikted auf „On-Demand-Herstellung“. Statt wie früher große Mengen ordern zu müssen, lassen sich Kleidungs-Fabriken mittlerweile auch auf kleine Bestellungen ein.

„Wir haben einen anderen Produktions-Ansatz als traditionelle Fast-Fashion-Brands“, so Dedy Schwartzberg. „Wenn wir einen neuen Style einführen, produzieren wir nur eine kleine Menge. Erst mit steigender Nachfrage skalieren wir dann die Produktion.“ Diese Strategie nutzt Edikted dazu, um sich Nachhaltigkeit auf die Fahne zu schreiben, weil weniger produziert werde, was dann in Lagern verrotte. Allerdings löst das nicht das Problem, dass auf billigste Art hergestellte Klamotten nach viermaligem Tragen sowieso im Müll landen.

Nah dran an der Community

Trotzdem ist auffällig, dass Edikted das Thema zumindest thematisiert. Die Marke will hochwertiger auftreten als Shein oder Fashion Nova. Das zeigt sich auch an der Zahl neuer Designs. Pro Monate bringe Edikted 100 neue Styles in den Shop, wobei sich der Wert in Zukunft verdoppeln soll. Wettbewerber wie Shein werfen aber jetzt schon Tausende neue Klamotten-Designs jede Woche auf den Markt. So ganz von den Mechanismen der Fast-Fashion-Branche kann sich Edikted aber trotzdem nicht lösen: Streichpreise gehören zu bei jedem Produkt dazu und zu verschiedensten Anlässen gibt’s 30 bis 50 Prozent Rabatt auf das komplette Sortiment. Die Jagd nach dem Eindruck der Wertigkeit sieht anders aus.

„Der Markt ist riesig und genauso riesig ist die Chance“, sagt Gründer Schwartzberg. „Die Gen Z gleicht sich in ihrer Motivation, der Sprache, dem Verhalten. Wir haben auf der ganzen Welt die gleichen Kundinnen und wenn man lernt, wie man mit einer spricht, lernt man mit allen zu sprechen.“ Daher sei der direkte Kontakt mit der Zielgruppe der abschließende strategische Baustein von Edikted. Das Unternehmen erledige den Kundenservice vor allem über Direktnachrichten auf Instagram und sende bei beschädigten Produkten sofort Ersatz hinterher (das sei schließlich die Erwartung).

Die ganz enge Bindung soll in Zukunft eine noch nicht allzu erfolgreiche Shop-App und das Loyalty-Programm „Beach House“ bringen. Für verschiedene erledigte Aufgaben wie ein Follow bei Instagram und Tiktok oder geschriebene Reviews sammeln Nutzende Punkte. Die bringen Rabatte aber später auch Zugriff auf Edikted-Merch oder Event-Einladungen. Shein & Co. sind da mit ihren Gamification-Ansätzen allerdings schon eine ganze Ecke weiter. Am Ende sucht auf dem Markt jede Brand nach der Strategie, um wirklich treue Kund:innen zu gewinnen. Denn das weiß auch Dedy Schwartzberg: „Die Gen Z ist so lange loyal, bis sie etwas Cooles von einer anderen Marke sehen und weiterziehen. Du darfst also niemals schlafen.“

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MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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