Cook Groups: Die verborgene Welt der Sneaker-Reseller auf Discord

Martin Gardt26.9.2022

Wir zeigen, was hinter den zahlungspflichtigen Communitys auf Discord steckt – und wie Sneaker-Reseller dadurch keinen Drop mehr verpassen

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Der Markt rund um den Weiterverkauf besonders begehrter Sneaker und Klamotten ist immer noch riesig. Kein Wunder, dass unzählige Glücksritter im Netz unterwegs sind, die sich seltene Schuhe nur sichern wollen, um sie mit Gewinn weiterzuverkaufen. Es ist aber nicht einfach, den Überblick über aktuelle Verkaufsstarts und Modelle zu behalten. Deshalb ist auf Discord eine wahre Sneaker-Reseller-Ökonomie entstanden. Reseller treffen sich in sogenannten Cook Groups – und zahlen für die Gruppenmitgliedschaft sogar jeden Monat 20 bis 50 Euro. Wir erklären den Sinn und das Geschäftsmodell von Cook Groups.

Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder über den Sneaker-Resale-Markt geschrieben. Bestimmte Schuhmodelle erzielen kurz nach Verkaufsstart Wertsteigerungen von über 1.000 Prozent, Einzelpersonen werden durch den Einsatz von Kaufbots reich und Resale-Plattformen wie StockX, Goat oder Grailed machen Millionen-Umsätze. Der Marktforscher Piper Sandler schätzte den Sneaker-Resale-Markt im Februar 2021 auf zehn Milliarden US-Dollar. Analyst*innen der Investmentbank Cowen prognostizieren einen 30-Milliarden-Markt für das Jahr 2030.

Folgerichtig versuchen weltweit tausende oft professionell agierende Reseller, seltene Sneaker direkt zum Start für den Normalpreis bei Nike, Adidas, New Balance & Co. zu kaufen, um sie dann über die Resale-Plattformen, Ebay oder im direkten Umfeld mit dicken Gewinnen weiterzuverkaufen. Rund um dieses Business sind in den vergangenen Jahren nun sogenannten Cook Groups vor allem auf Discord entstanden. Hier findet der Austausch von Resellern statt, Tools geben einen Überblick über aktuelle Verkaufsstarts und der ein oder andere Bot wird auch angeboten. Meist zahlen Mitglieder jeden Monat gutes Geld für die Communitys.

Von Resellern für Reseller

„Ich bin selbst seit über sieben Jahren Reseller. Wenn man selbst nicht aktiv ist, ist es unmöglich, mit allem up to date zu bleiben“, sagt der Betreiber der deutschen Cook Group Goatify gegenüber OMR. Im Artikel will der 22-Jährige nur mit seinem Pseudonym „late“ auftauchen (Name ist der Redaktion bekannt). „Goatify wurde vor über drei Jahren gegründet, mit dem Hintergedanken, mein über die Jahre angeeignetes Wissen an Dritte weiterzugeben. So hat es sich dann entwickelt, dass mein Hobby zum Beruf wurde.“ Zum Beruf konnte „late“ seine Community machen, weil eine Mitgliedschaft bei Goatify 41,99 Euro kostet. Die Cook Group habe derzeit knapp 1.000 aktive Mitglieder, was einen Jahresumsatz von über 500.000 Euro bedeuten würde.

Bei Goatify und vielen anderen Gruppen auf Discord liegt der Fokus klar auf Sneakern. Aber auch andere seltene und begehrte Produkte sind Thema. „Was seit über zwei Jahren ununterbrochen gut funktioniert, sind Playstations. Es gibt hier und da auch mal profitable Whiskys, Pokemon-Sets oder auch Lego-Sets“, sagt der Goatify-Betreiber. „Wir passen uns dem Markt an und sind da zur Stelle, wo es sich lohnt.“

Monitore, Guides, geheime Informationen, Kaufservice

Aber was bietet „late“ in seiner Cook Group für über 40 Euro pro Monat? Ein wichtiges Tool von Goatify und anderen Sneaker-Communitys sind sogenannte Monitore. Das sind automatisierte Update-Posts über anstehende Verkaufsstarts. So bekommen Mitglieder in einer Cook Group etwa angezeigt, welcher Sneaker bei welchem Shop zu welcher Uhrzeit live geht, ob diese nur in der App des Shops kaufbar sind und wie sich der Resale-Preis des Modells entwickelt. „Wir haben ein eigenes Entwicklerteam, das sich um nichts anderes als Monitore kümmert“, erklärt Goatify-Betreiber „late“. „Da steckt mehr Arbeit dahinter, als man auf den ersten Blick denkt.“ Ein weiteres Leistungsversprechen vieler Cook Groups sind Guides – also Anleitungen für den erfolgreichen Kauf von seltenen Stücken. Das sind dann Tipps, wie Käufe im Online-Shop der Hype-Marke Supreme oder in der Nike SNKRS-App funktionieren – hier ein Beispiel der US-Cook-Group Sneaker Squad X.

Sneaker Monitor in einer Cook Group

Ein Monitor in der Cook Group von Sneaker Squad X meldet den „Restock“ eines Jordan-Sneakers.

Am Ende sollen Cook Groups die Informations-Kanäle für hauptberufliche Reseller sein. Deshalb steht der Austausch unter den Mitgliedern neben Monitoren und Guides im Zentrum. So fungieren die Communitys als Foren für Fragen und Antworten. Gleichzeitig werden auch nicht automatisierte Infos über anstehende Verkäufe geteilt. „Early Informationen kommen teils durch ‚Plugs‘, die einem Informationen zukommen lassen, manchmal gibt es aber auch Tricks, um anders an ‚interne‘ Informationen ranzukommen“, so der Goatify-Betreiber. Hinter „Plugs“ verbergen sich Sneaker-Läden oder deren Mitarbeiter*innen, die nicht öffentlich bekannte Informationen über kommende Releases weitergeben.

Einige Cook Groups gehen sogar noch einen Schritt weiter und bieten ACO-Services (auto-checkout) an. Nutzende können sich damit die Fähigkeiten von Profis in der Gruppe zu Nutze machen. Meist geben sie dazu ihre Zahlungs- und Versandinformationen an, mit denen Einkaufsprofis dann Käufe abschließen. Die Sneaker landen direkt bei den Auftraggebenden. Im Anschluss wird eine PAS-Gebühr (Pay After Success) fällig, die zwischen fünf und auch mal über 50 Euro liegen kann – je nach Seltenheit des Produkts.

Bots sind weiterhin ein Thema

Solche ACO-Services funktionieren zum Teil auch über Bots. Und der Austausch über solche Programme ist ein Kernthema von Cook Groups. So werden Listen von derzeit noch funktionierenden Bots gepostet – und deren Funktionen erklärt. Der Goatify-Macher sagt aber auch: „Der Trend um Bots hat in letzter Zeit sehr abgenommen, da immer mehr Seiten zu Raffles wechseln, was nicht unbedingt reseller-freundlich ist.“ Mit Raffles sind Verlosungen gemeint, die mittlerweile fast von allen Shops und Herstellern bei besonders begehrten Modellen eingesetzt werden. Hier sind Bots, die darauf angelegt sind, auf Befehl einen Schuh hundertfach und in allen Größen in den Warenkorb zu legen und automatisch zu bezahlen, ganz einfach nutzlos. „Durch schnelle Monitore und gute Informationen kannst du ebenso gut ohne Bots Erfolg haben“, sagt „late“.

Rund um Sneaker-Bots ist mittlerweile aber ebenfalls eine wahre Ökonomie entstanden. Entwickler*innen lassen sich ihre Bots zum Teil mehrer hundert oder tausend Euro kosten. Hinzu kommt meist auch eine monatliche Gebühr für die Nutzung. Für Reseller (die Kund*innen der Bot-Entwickler*innen) geht die Rechnung oft trotzdem auf, weil sie sich über Bots eine hohe Zahl begehrter Sneaker sichern können. Bot-Anbieter agieren deshalb wie große Brands bei dem Thema und setzen auf künstliche Verknappung. Oftmals sind die Bots „ausverkauft“, auf Twitter oder anderen Social-Plattformen wird für „Restocks“ also Nachlieferungen geworben. Zu einer bestimmten Zeit können Nutzende sich dann kurzzeitig den Bot für viel Geld sichern. In Cook Groups gibt es deshalb auch für Bots automatisierte Posts, wann diese wieder verfügbar sind.

Verknappung als Marketing-Hebel

Das Prinzip der künstlichen Verknappung haben die Cook-Group-Betreiber*innen auch für sich selbst entdeckt. Goatify und andere Gruppen verweisen beim Besuch ihrer Seite auf eine Warteliste oder einen Newsletter. Interessierte müssen sich also hier erstmal eintragen, bevor sie zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit bekommen, dem Discord-Server beizutreten – und die monatliche Gebühr zu zahlen.

Um neue Mitglieder zu werben, nutzen die meisten Cook Groups tatsächlich Twitter, seltener Instagram. Auf den Plattformen zeigen sie vor allem die Erfolge ihrer Mitglieder. In den Gruppen wird deshalb zum Teil dazu aufgefordert, Käufe seltener Sneaker auf Twitter zu teilen und den Twitter-Kanal der Cook Group zu markieren. Per Retweet landen die Erfolgsmeldungen dann auf dem Kanal von Goatify & Co. Einige Cook Groups haben mit ihrer Social-Strategie bereits eine beachtliche Reichweite aufgebaut. Goatify kommt auf über 20.000 Follower bei Twitter. Internationale Cook Groups wie Endurance (knapp 45.000 Follower) und Sneaker Squad X (knapp 26.000) sprechen noch mehr Nutzende an.

Hunderte Posts mit Bestellbestätigungen und seltenen Sneakern im Regal sollen bei potenziellen Nutzenden natürlich Fomo auslösen (Fear of Missing Out). Einige Gruppen fangen das dann auch mit kostenlosen Discord-Servern ab, die der eigentlichen privaten Cook Group vorgeschaltet sind. Bei Sneaker Squad X sind so kostenlos schon viele Informationen freigeschaltet. Andere nutzen den kostenlosen Discord-Kanal nur für Bekanntmachungen und Informationen zur bezahlten Mitgliedschaft.

Cook Groups – ein weltweites Phänomen

Cook Groups haben ihren Ursprung wenig überraschend in den USA. Dort finden sich Hunderte bezahlte Communitys zu dem Thema auf Discord. In Deutschland agieren ebenfalls unzählige Gruppen. Nur wenige erreichen am Ende wirklich die Größe von Goatify. „Es gibt bereits einige Gruppen. Die meisten verschwinden aber ebenso schnell, wie sie gekommen sind“, sagt der Goatify-Macher. „Die Schere wird immer größer, da bereits erfolgreiche Gruppen den Mitgliedern weit mehr anbieten können, was für kleinere Gruppen kostentechnisch unmöglich zu tragen ist. Ich gehe davon aus, dass immer mehr Gruppen in naher Zukunft dicht machen und sich immer mehr auf die etablierten Gruppen fokussiert wird.“

Für „late“ wäre das natürlich eine wünschenswerte Entwicklung. Weniger Wettbewerb bedeutet mehr potenzielle Kund*innen, die es auch ernst meinen und deshalb langfristig Mitglied in seiner Gruppe bleiben. Schließlich dürfte die Hauptzielgruppe aus Resellern bestehen, die seltene Sneaker nicht nur als Hobby verstehen. Aber noch ist die Konkurrenz da und groß. Allein in Europa haben wir über 50 ernstzunehmende Cook Groups gezählt. Erste Player wie CopGang sind sogar schon in mehreren Ländern (in dem Fall Italien und Spanien) unterwegs. Da entstehen also internationale Unternehmungen mit zum Teil Millionenumsätzen. Am Ende könnten Cook Groups zu Content-Unternehmen werden, die Monetarisierung über ein Abo sehr erfolgreich hinbekommen haben.

DiscordResaleSneakerStockX
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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