Co-Star: Diese App überträgt das Horoskop-Geschäft erfolgreich ins Social-Media-Zeitalter

Martin Gardt25.10.2019

Weltweit verzeichnet Co-Star mehr als 3,4 Millionen Downloads – und über 870.000 Instagram-Follower

Co-Star
Co-Star

Früher haben Ratsuchende ihr Horoskop in Zeitschriften oder bei Astro TV gefunden. Heute sorgen neue Player mit Content für eine neue Generation für frischen Wind im umstrittenen Geschäft der Sternendeuter. Ganz besonders sticht die App Co-Star heraus, die für unzählige virale Momente gesorgt hat und bereits über 3,4 Millionen Mal heruntergeladen wurde. Wie die Macher mit Kniffen in der App immer neue Downloads generieren und warum gerade beleidigende Push-Notifications für Retention und Spaß bei den Nutzern sorgen, lest Ihr hier.

Obwohl Astrologie und Horoskope sich nicht empirisch belegen lassen und mit hoher Sicherheit keine wirklichen Aussagen über das Leben von Krebsen, Löwen, Waagen und Steinböcken treffen, lösen sie bei vielen Menschen immer noch eine Faszination aus. Selbst bei der jungen Generation scheint die Suche nach Identifikation und Selbstfindung dazu geführt zu haben, dass Horoskope richtig hip sind. Kein Wunder, dass mit Banu Guler, Anna Kopp und Ben Weitzman drei Anfang 30-Jährige die Astrologie-App „Co-Star“ gegründet haben. Die Freunde hatten vorher für die Fashion-Seite Vfiles gearbeitet und wollten jetzt die Astrologie ins 21. Jahrhundert führen. „Jeder, den wir kannten, war besessen von Astrologie“, sagt die 31-jährige Guler, die heute CEO des Unternehmens ist.

Co-Star Gründer

Die Co-Star-Gründer: Ben Weitzman, Banu Guler und Anna Kopp (v.l.) (Foto: Co-Star)

Die Idee: Ein Astrologie-App erschaffen, die so individuell wie möglich auf jeden einzelnen Nutzer eingeht und auf Grundlage von Geburtszeit und -Ort noch genauere Lebenstipps geben soll, als das typische Sternzeichen-Horoskop. Das scheint anzukommen: Bisher wurde die App laut Daten des Analyse-Tools Priori Data weltweit über 3,4 Millionen Mal heruntergeladen. Auf Instagram folgen dem Unternehmen über 870.000 Nutzer. Der Markt scheint bereit für so eine App – 2,2 Milliarden US-Dollar sollen Astrologie und andere „übersinnliche Dienste“ 2018 allein in den USA umgesetzt haben. 

Jeden Tag auf die Mütze

Wer die App öffnet, muss zuerst sein Geburtsjahr, -zeit und -ort angeben. Auf dieser Grundlage entwickle Co-Star einen „astronomischen Schnappschuss des Himmels basierend auf diesen Daten.“ Das Unternehmen nutze Daten der Nasa. Ein Algorithmus spucke dann jeden Tag ein individualisiertes Horoskop aus – einen kurzen Text gibt’s per Push-Nachricht, detailliertere Infos dann in der App. Diese ist super schlicht gehalten, die Horoskop-Hinweise oft schnippisch, manchmal gemein. Heute wird mir beispielsweise empfohlen, die Social-Media-Kanäle der Ex-Freundin endlich zu meiden. Gleichzeitig steigere sich heute die Selbstachtung, wenn ungewünschte Meinungen nicht beachtet würden. 

Co-Star-App

Die Co-Star-App

Optisch werden diese Infos mit viel Text und Schwarz-Weiß-Bildern von Kakteen, Tauben oder anderen nicht im Zusammenhang stehenden Motiven dargestellt. „Wir leben in einer Zeit, in der Startups alle gleich aussehen, sich gleich anfühlen und mit Menschen kommunizieren, als seien sie Kleinkinder“, sagt Gründerin Banu Guler gegenüber The Verge. „Alles sieht aus wie ein Cartoon mit runden Ecken. Das ist einfach nicht echt.“ Co-Star scheue hingegen nicht davor zurück, den Nutzern die ungeschönte Wahrheit über ihr Leben zu sagen. 

Wie der Algorithmus genau funktioniert, ist nicht ganz klar. Co-Star arbeite jedoch mit einem Content-Team, das sich genau mit Astrologie beschäftigt habe. In Kombination mit Einflüssen aus Psychologie und Literatur erstelle das Team „Snippets, die ins Verhältnis zu Planeten, Häusern (in der Astrologie gibt es zwölf davon) und Sternzeichen gesetzt und dann von der künstlichen Intelligenz zusammengebaut und ausgespielt werden“, so Guler. Hört sich ein bisschen nach Lifestyle-Astrologie an, die vor allem Spaß machen soll. „Ich selbst öffne Co-Star gar nicht und fühle mich gut damit“, sagt die Gründerin. „Du bekommst einfach deine Push-Nachricht und gehst weiter durch den Tag.“ 

Virale Momente erzwingen

Und genau diese Push-Nachrichten haben Co-Star zu großer Aufmerksamkeit verholfen. Tausende Nutzer teilen täglich absurde Notifications der App. Buzzfeed, die TeenVogue, der Stern und andere Medien widmen den humorvollen Nachrichten („Your day at a glance“) ganze Artikel. Ein paar Highlights gefällig? Co-Star schreibt an Nutzer: „We’re all gonna die someday, so take a chance today“, „Get a plane ticket of you can and just go“ oder „Take yourself out to dinner tonight“. 

Die fiesen Push-Nachrichten bekommen auf Twitter oder Instagram teilweise Zehntausende Likes und sorgen so für Interesse bei potenziellen neuen Nutzern. Gleichzeitig sorgen die absurden Notifications sicher dafür, dass viele Nutzer sie langfristig aktivieren und Co-Star so immer wieder auf ihren Displays landet. Viele Apps kämpfen ja mit schlechten Retention Rates und Nutzern, die ihre Apps nach dem ersten Öffnen nie wieder anfassen. Die Kombination aus Pressemeldungen und viralen Posts hat 2019 erst so richtig Fahrt aufgenommen. In diesem Jahr wurde die App laut Priori Data 2,5 Millionen Mal heruntergeladen – mehr als 73 Prozent der Gesamtdownloads stammen also aus den vergangenen zehn Monaten.  

Co-Star Follower Instagram

Das Instagram-Follower-Wachstum von Co-Star seit Mai 2019 (Quelle: Ninjalitics)

Ein zweiter Effekt dürfte das Wachstum des Instagram-Kanals von Co-Star sein. Der hat laut dem Analyse-Tool Ninjalitics allein seit Mai 2019 über 400.000 neue Follower gewonnen und kommt aktuell auf über 870.000 Abonnenten. Neben der großen Aufmerksamkeit rund um die App hält wohl auch der Content des Instagram-Accounts viele Nutzer bei der Stange – die Engagement Rate (Verhältnis zwischen Likes und Kommentaren zu den Followern) liegt mit über sieben Prozent deutlich über der vieler anderer Unternehmens-Kanäle. Die Posts auf dem Kanal orientieren sich stilistisch an der App und wirken fast fehl am Platz in der bunten Instagram-Welt. Meist beschreibt das Co-Star-Team darin Stärken und Schwächen jedes Tierkreiszeichens – das sorgt dann für Gesprächsbedarf unter den Nutzern. 

Referral-Mechanismen bis ins Detail

Co-Star Freunde einladen

Nutzer sollen ihre Freunde zu Co-Star einladen

Auch in der App motiviert Co-Star die Nutzer immer wieder zu Aktionen, die zu weiteren Downloads führen. Wer in der App einen Screenshot macht, wird per Meldung daran erinnert, beim Teilen des Bildes den Instagram-Account von Co-Star zu markieren. Wer auf die Meldung tippt, landet direkt auf dem Account. Einzelne Horoskope können die Nutzer direkt aus der App auf Social teilen – von Co-Star bereits in einer Art Visual Statement gestaltet. Der zweite große In-App-Hebel sind soziale Funktionen: Co-Star weist den Nutzer immer wieder darauf hin, Bekannte in die App einzuladen, um deren Horoskope zu sehen und vor allem, wie kompatibel sie zu einem selbst sind. In jedem Bereich mit Informationen zur aktuellen (vermuteten) Gefühlswelt des Nutzers erscheint ein Hinweis, doch zu schauen, welchen Freunden es derzeit ähnlich geht.

Hier findet sich dann auch die einzige In-App-Kauf-Option von Co-Star. Wer nämlich einen anderen Nutzer manuell hinzufügen will – also ohne, dass dieser die App installiert – muss drei US-Dollar pro hinzugefügtem Freund zahlen. Laut dem Analyse-Tool Priori Data hat Co-Star mit solchen In-App-Käufen im September 2019 geschätzte 21.000 US-Dollar umgesetzt. Insgesamt habe das Unternehmen so bisher knapp 250.000 US-Dollar umgesetzt. Weitere Umsatzquellen lassen sich bisher nicht erkennen, Wachstum scheint im Vordergrund zu stehen. Anhand der Entwicklung anderer Astrologie-Player zeigt sich aber gut, was in dem Business mit Millionen Nutzern möglich sein kann. 

Astrologie ein Trendthema?

Wer mit Astro TV aufgewachsen ist, konnte eigentlich kaum damit rechnen, dass Astrologie nochmal so in den Mainstream jüngerer Generationen geblasen wird. Aber auch andere Apps zeigen, dass Teenager, Mittzwanziger und Digital Natives vielleicht noch mehr auf Horoskope abfahren als Illustrierten-Leser. Da wäre zum Beispiel die App „Astro Guide“ von Vice. Laut Angaben des hippen Publishers wurde die nach dem Start im Mai 2019 bis August dieses Jahres über 100.000 Mal heruntergeladen. Die Hälfte dieser Nutzer habe nach der einwöchigen Testphase das Abo für knapp sechs US-Dollar im Monat abgeschlossen. Digiday berichtet, dass die Top-10-Apps zum Thema Astrologie allein im US-App-Store im Juli 2019 mit In-App-Käufen 4,3 Millionen US-Dollar umgesetzt haben.  

Weitere Apps, die in den USA derzeit hoch gehandelt werden, sind „Sanctuary“ und „Pattern“. Erstere bietet für 20 US-Dollar im Monat personalisierte Horoskope und die Möglichkeit, mit einem Astrologen zu chatten. Pattern wirkt wie eine noch esoterischere Astrologie-Variante und soll gleichzeitig ein soziales Netzwerk werden. Keine dieser Apps kommt aber an die Download-Zahlen von Co-Star ran – und auch nicht an die neue Investitionsrunde über 5,2 Millionen US-Dollar (angeführt von VC Maveron, der auch in Ebay, Zulily und Allbirds investiert hatte). Mit dem Geld will das Team eine Android-App auf den Markt bringen und das Team weiter aufstocken. Es könnten viele weitere Millionen Downloads anstehen.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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