Die beeindruckende Story von Calendly: Vom Ein-Mann-Business zu 100 Millionen Jahresumsatz

Martin Gardt13.9.2022

Das Kalender-Tool wird heute mit über drei Milliarden US-Dollar bewertet. Wir zeigen, warum es so wertvoll ist

Calendly-Gründer Tope Awotona
Tope Awotona gründet Calendly 2013 mit seinem Ersparten. Heute macht das Unternehmen Millionen-Umsätze

Ihr kennt das Kalender-Tool Calendly ganz bestimmt. Entweder habt Ihr es selbst im Einsatz, um Eure Terminabstimmung zu vereinfachen. Oder Ihr habt darüber schonmal einen Termin bei jemandem eingebucht. Trotz der Bekanntheit des Tools dürfte die unternehmerische Geschichte überraschen. Das 2013 gegründete Unternehmen war lange ein 1-Mann-Projekt – heute hat Calendly über zehn Millionen Nutzende und macht 100 Millionen US-Dollar Jahresumsatz. Wir erklären die beeindruckende Wachstumsstory.

Tope Awotona gründet Calendly 2013 in Atlanta. Zu der Zeit verkauft er SaaS-Lösungen von EMC (heute Teil von Dell) – und ist von den vielen E-Mails genervt, die allein für die Planung eines Termins nötig sind. Er packt 200.000 US-Dollar Erspartes in das Projekt und legt auf eigene Faust los. Das Ziel: Eine Software-Lösung zur einfachen Terminplanung. Heute bietet Calendly seinen zehn Millionen Nutzenden genau das. Sie legen mit dem Tool verfügbare Termin-Zeiten fest, teilen einen Link und können dann vom Gegenüber in den angegebenen Zeiten gebucht werden. Der Termin landet automatisch im Kalender. Neben Einzelpersonen nutzen auch große Unternehmen wie Ebay, L’Oréal und Dropbox die Software – und bringen Tope Awotaona und Calendly 100 Millionen US-Dollar Jahresumsatz.

Calendly Screenshot

Das Calendly-Tool soll die Terminfindung vereinfachen – Nutzende können Zeiten in den Kalendern anderer buchen

Start als 1-Mann-Unternehmen

Einer der spannendsten Aspekte der Calendly-Geschichte ist wohl sein Gründer. Awotona wird in Nigeria geboren, kommt mit 15 nach Atlanta in die USA. Er studiert Computerwissenschaft an der Universität von Georgia, wechselt aber noch vor dem Abschluss zu Business- und Management-IT. Nach dem Studium verkauft er Software für verschiedene Unternehmen – will aber eigentlich selbst gründen. Vor Calendly startet Awotona eine Dating-Webseite, die er wegen fehlender Ressourcen nie richtig zum Laufen bekommt. Später gründet er ein Unternehmen, das online Projektoren verkauft und dann eines, das Gartengeräte und Grills anbietet. Auch die floppen. „Dadurch habe ich gemerkt, dass ich ein Unternehmen nur skalieren und erfolgreich machen kann, wenn ich nicht nur Söldner bin, sondern das Problem mich wirklich beschäftigt und ich motiviert bin, es zu lösen“, erzählt Tope Awotona im „The SaaS Podcast“

Und ein Problem beschäftigt ihn als Sales-Mitarbeiter zu der Zeit offenbar sehr: „Ich habe versucht, ein Meeting zwischen drei Unternehmen mit zehn bis 20 Leuten zu organisieren. Und es war einfach so qualvoll“, so Awotona. „Da habe ich endgültig erkannt, dass Terminplanung kaputt ist.“ Auf der Suche nach einem Tool, das sein Problem lösen kann, wird er nicht fündig. Also steckt er sein eigenes Geld in sein neues Projekt und verpflichtet Remote-Entwickler in der Ukraine. Er ist während des Maidan-Aufstands 2014 dort. „Das hätte richtig schief gehen können“, sagt der Gründer gegenüber Forbes. „Bei meinen anderen Geschäftsideen bin ich auf Nummer sicher gegangen und hatte immer einen Ausweg. Für Calendly bin ich in ein Kriegsgebiet geflogen und habe jeden Cent investiert, den ich hatte.“

Freemium-Produkt als Marketing-Hebel

Sein ukrainisches Entwickler-Team baut Awotona trotz aller Unwegbarkeiten bis Ende 2013 ein funktionierendes Produkt. Für den Marktstart fehlt dann aber Geld. In einer Seed-Runde sammelt Calendly erstmals eine Investition in Höhe von etwa einer halben Million US-Dollar von Atlanta Ventures ein. Das Problem: Das Geld kommt zu spät, um vor dem Start noch Zahlungsfunktionen einzubauen. Also geht Calendly kostenlos an den Markt. „Das war die beste Entscheidung, die ich nie getroffen habe“, erzählt Tobe Awotona. Bis heute ist das Tool für Privatnutzer gratis. Unternehmen, die mehr Funktionen als einfache Terminabsprachen wollen, zahlen jeden Monat in einem SaaS-Modell ab acht US-Dollar pro Mitarbeitenden. Ab 30 Nutzenden im Unternehmen macht Calendly individuelle Zahlmodalitäten aus. Im Durchschnitt zahlen größere Unternehmen wohl monatlich 25 US-Dollar pro Kolleg:in.  

Durch das Freemium-Modell habe Awotona die Viralität des Produkts entfesselt. Das habe er direkt zu Beginn bereits bemerkt, als das ukrainische Entwickler-Team Calendly für Terminvereinbarungen mit anderen Partnern nutzt. Diese übernehmen es direkt für die eigene Terminverwaltung, tragen es in Schulen zur Vereinbarung von Elternsprechstunden und so weiter. Komplett ohne Kommunikation habe das Tool so die ersten 1.000 Nutzenden gewonnen. Und das ist nachvollziehbar: Wer Calendly nutzt, wird ganz automatisch Botschafter:in. Diese Viralität helfe auch bei der Gewinnung von Unternehmenskunden: „Mitarbeitende werben für unser Produkt bei ihren Vorgesetzten und so wandert das nach oben“, sagt Awotona. „Das ist das trojanische Pferd, mit dem wir in den Unternehmen landen.“

Mehr als Terminabstimmung

Unternehmenskunden können gegen Zahlung selbst gestaltete Calendly-Landing-Pages erstellen, Meetings für dauerhaft erstellte Gruppen vergeben und die Calendly-Software mit anderen Tools wie Salesforce, Stripe, Zoom und Hubspot verbinden. Das Business laufe gut. Im vergangenen Jahr habe sich die Zahl großer Kunden laut Gründer Awotona verzehnfacht. Dazu zähle er Unternehmen, die über 100.000 US-Dollar pro Jahr für Calendly ausgeben. Das Wachstum in diesem Bereich bedeute für Calendly, dass in diesem Jahr eine Verdopplung des Umsatzes möglich sei – auf dann 200 Millionen US-Dollar. Bereits seit 2016 arbeite die Firma profitabel. 

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Wie Unternehmen, die viel Geld ausgeben, das Tool nutzen? Der US-Fahrtenvertmittler Lyft setzt das Tool vor allem für sein Small-Business-Solutions-Programm ein. Hier können Unternehmen Lyft-Fahrten als Mitarbeitervorteile einsetzen. Das Interesse an dem Programm sei so groß gewesen, dass Lyft all die Inbound-Leads nicht effizient bearbeiten konnte. Heute laufe der Prozess komplett über Calendly: Nachdem ein Team die Anfragen gescannt hat, können qualifizierte Leads über das Tool 15- bis 30-minütige Meetings mit Sales-Ansprechpartnern vereinbaren – nachdem sie Informationen zu sich und ihrem Unternehmen eingetragen haben. Die US-Autokauf-Plattform CarGurus nutzt Calendly hingegen für interne Prozesse. In weniger als zwölf Monaten habe das Unternehmen über das Tool 2.000 Sales-Meetings mit angebundenen Autohändlern geführt. Das habe 500 Stunden Arbeitszeit für die Mitarbeitenden gespart. 

Überraschender Push durch streitende Milliardäre

Anfang des Jahres 2022 erlebt Calendly erneut einen nicht geplanten viralen Moment – der direkt mit dem Funktionsprinzip des Tools zu tun hat. Vor allem unter wichtigen Leuten, oder solchen, die sich dafür halten, stellt sich bei Calendly offenbar das Gefühl eines Machtgefälles ein. Auf der einen Seite die Person, die einige Zeiten im vollen Terminkalender gnädig freigibt und auf der anderen Seite diejenige, die sich einbuchen darf. Der frühere Facebook-VP Sam Lessin twittert am 27. Januar 2022, dass Calendly-Etikette die deutlichste Zurschaustellung von Dynamiken sozialer Beziehungen im Business-Umfeld sei. Der Tweet sammelt bis heute knapp 3.800 Likes und 400 Retweets. Dustin Moskovitz, Co-Founder von Facebook und CEO von Asana antwortet: „Wer hat dir wehgetan Sam?“ 

Als VC-Legende Marc Andreessen wenig später in einem mittlerweile gelöschten Tweet schreibt, dass alle, die seine Calendly-Links ignorieren, dauerhaft von VC-Investments im Silicon Vallay ausgeschlossen werden (sicherlich mit Augenzwinkern gemeint), hat Calendly die volle Aufmerksamkeit der US-Tech-Szene. Laut Tope Awotona habe die Episode für Zehntausende neue Nutzende gesorgt. „Unser Marketing-Team hatte sich viele Gedanken gemacht, wie wir Menschen dazu bekommen, über Calendly zu sprechen“, erzählt er. „Wir wussten nicht, dass es der einfachste Weg ist, ein paar Tweets rauszuhauen. Wir hätten es nicht besser planen können.“ 

Umkämpftes Business

Trotz der Wachstumsprognosen ist das Geschäftsmodell von Calendly dauerhaft bedroht. Google mit Kalender-Lösungen, Microsoft mit Outlook oder der in Europa noch bekanntere Konkurrent Doodle. Deshalb plant der Gründer weitere Features, um das Produkt abzuheben. Er wolle die Vorarbeit (etwa durch automatisches Anhängen von Lebensläufen für Recruiter:innen) und die Nacharbeit (durch Analytics) von Terminen auf eine neue Stufe heben. Solche Funktionen sollen vor allem HR- und Sales-Abteilungen ansprechen. Die Entwicklung bezahlt Calendly aktuell aus dem Cashflow und einer Finanzierung über 350 Millionen US-Dollar. Das Geld hatte das Unternehmen Anfang 2021 von den US-VCs Openview und Iconiq Capital eingesammelt.

Tope Awotona schätzt den globalen adressierbaren Markt für Calendly auf 20 Milliarden US-Dollar. Derzeit spricht das Unternehmen durch die Unterstützung von Englisch, Deutsch, Spanisch, Portugiesisch und Französisch zwar viele aber nicht alle Menschen der Welt an. „Bei uns geht es um die Möglichkeit, jedes Meeting effizient zu gestalten und das gesetzte Ziel zu erreichen“, sagt Awotona. „Schon das Einstellen des Termins entscheidet über den Erfolg von Meetings. Wir wollen das Unternehmen sein, was bei Abstimmung, vereinfachter Vor- und Nachbereitung hilft. Das ist unsere große Vision.“

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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