Auf diese überraschende Art und Weise verdienen viele Facebook-Viralseiten Geld

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Wie der Münchner Riva Verlag den Publishern hilft, geklauten Content und falsche Fakten in klingende Münze zu verwandeln

monkey_typewriter_aufmacher Viralseiten wie Made My Day, Faktastisch und „Immer einen blöden Spruch auf Lager“ haben bei Facebook zwar zum Teil mehr Fans als die Bild-Zeitung – trotzdem dürfte es ihnen schwer fallen, mit der auf der Drittplattform angesammelten Reichweite Geld zu verdienen. Der Münchner Riva Verlag steht vielen Facebook Publishern in dieser Situation offenbar gern zur Seite: mit einem attraktiven Buch-Deal. Unklare Urheberrechte oder der zweifelhafte Wahrheitsgehalt von Inhalten halten den Verlag dabei nicht von einer Buchveröffentlichung ab – wie mehrere Beispiele zeigen. Das Geschäft dürfte für beide Seiten durchaus lukrativ sein.

(Bild: Riva Verlag)

(Bild: Riva Verlag)

In der Facebook-Gruppe „Da kotzt das Texterherz“ hängt seit dem 12. Februar der Haussegen schief. Seit diesem Zeitpunkt wissen die Mitglieder der Gruppe, dass die beiden Gruppenbetreiber Peter Berberich und Edda Klampfer im Riva Verlag ein gleichnamiges Buch herausgegeben haben. Der Inhalt: Fotos und Kommentare, die die Mitglieder in der geschlossenen Gruppe, in der die Beteiligten amüsante Beispiele für missglückte Texte sammeln, gepostet hatten.

Ob sie mit der Veröffentlichung einverstanden sind, waren die Mitglieder vorher nicht gefragt worden. Zwar hatten die Betreiber die Gruppenmitglieder vorab versucht, sich durch ein dreiseitiges PDF mit Gruppenregeln das Recht zu sichern, die eingestellten Beiträge „auch anderweitig zu nutzen“. Aber ob die Einholung eines „Freifahrtsscheines“ auf diese Weise rechtlich gültig ist, ist zumindest fraglich. Rechtsanwalt Tobias Röttger beispielsweise hält die Formulierung für „viel zu schwammig“.

Nun sprechen die Buchherausgeber von „einem großen Fehler“: Wie Peter Berberich in einem Beitrag in der Gruppe erklärt, habe er dem Verlag gegenüber unterschrieben, dass er alle Rechte an den Inhalten besitze. Nun habe der Verlag angedroht, das Buch zurückzuziehen und einzustampfen.

Riva-Verlag: Bereits drei Mal Urheberrechtsbeschwerden nach Buch-Veröffentlichungen

Dass sich der Riva Verlag der zweifelhaften Urheberrechtslage rund um die in dem Buch veröffentlichten Beiträge nicht bewusst war, kann zumindest angezweifelt werden – denn es ist nicht das erste Mal, dass es rund um die Veröffentlichung eines Riva-Titels mit „User Generated Content“ aus dem Internet Streit gibt. Mindestens zwei weitere Fälle waren zuvor bereits publik geworden.

(Bild: Riva Verlag)

(Bild: Riva Verlag)

Im September 2012 hatte der Verlag die Auslieferung des Buches „Nachts um drei klingelte der Nachbar. Mir ist vor Schreck fast die Bohrmaschine aus der Hand gefallen“ gestoppt. Zuvor war bekannt geworden, dass der Autor Rolf Hohenhaus (Betreiber der Facebook-Seite „Immer einen lustigen Spruch auf Lager“ mit derzeit 538.000 Fans) die in dem Buch zusammengestellten Sprüche offenbar hauptsächlich auf Twitter „eingesammelt“ hatte. Wenige Monate später veröffentlichte Hohenhaus bei Riva das Buch „Kennst Du das Gefühl…“, mit Sprüchen die ebenfalls von einer Facebook-Seite stammen.

Im Dezember des vergangenen Jahres geriet ein weiteres Buch des Riva Verlags in die Kritik: Das Buch „Ich brauche einen neuen Wecker. Meiner klingelt immer, während ich schlafe – Sprüche, die dir den Tag retten“. Herausgeber: Das Publishing-Projekt „Made My Day“, das bei Facebook derzeit 3,15 Millionen Fans verzeichnet. Auch dieses Buch enthielt offenbar bei Twitter geklaute Sprüche– was viele User auf der Plattform mit Beiträgen unter dem Hashtag #madebytwitter kritisierten. Die Organisation „Ärzte der Welt“, an die der Autor sein Honorar angeblich hat spenden wollen, beendete wegen der Kontroverse ihre Zusammenarbeit mit dem Riva-Verlag und verkündete, eine eventuelle Spende nicht annehmen zu wollen.

Riva stellt Buchvertrieb ein – nachdem bereits viele Exemplare im Handel sind

Kurz vor Weihnachten sah sich das Verlagshaus angesichts der immer lauter werdenden Kritik offensichtlich genötigt, bei Twitter eine Stellungnahme zu veröffentlichen, laut der es das „Made My Day“-Buch „mit sofortiger Wirkung nicht mehr verbreiten und sämtliche Bücher, die noch in unserem Einflussbereich sind, zurückholen und zerstören“ werde. Dies betrifft jedoch offensichtlich nicht Bücher, die bereits in den Handel gegangen sind – in einer großen Hamburger Buchhandlung war das Buch vor wenigen Tagen noch verfügbar. Gegenüber dem anonymen Blogger Moltroff, der sich in der Kampagne gegen das Buch besonders engagiert hatte, erhob ein ebenfalls anonymer E-Mail-Schreiber Anschuldigungen, dass der Verlag den Verkauf des Buches erst einstellen wollte, nachdem ein Großteil der Startauflage verkauft worden war.

Das "Made My Day"-Buch in der Auslage einer Hamburger Buchhandlung

Das „Made My Day“-Buch in der Auslage einer Hamburger Buchhandlung

Die Problematik von Büchern, deren Inhalte hauptsächlich aus dem Internet zusammengeklaubt wurden, dürfte dem Verlag also durchaus bekannt sein. Die Verantwortung für die so entstandenen Titel wird jedoch qua Vertrag auf die Autoren oder Herausgeber abgewälzt.

Nicht immer fällt es Facebook-Fans negativ auf, wenn die Seitenbetreiber Bücher veröffentlichen, die zum Teil oder komplett auf Inhalten basieren, die ihnen ihre Community zugeliefert hat. Im Programm des Riva-Verlags finden sich beispielsweise auch Bücher von den Betreibern der Facebook-Seiten „Streetart in Germany“ (1,05 Millionen Fans) und „Pfusch am Bau“ (334.000 Fans). Auf beiden Seiten postet eine rege Community Beiträge und Fotos zum Thema.

Bis zu 19.000 Euro Verlagsumsatz alleine mit der Startauflage?

Das "Faktastisch"-Buch (Bild: Riva Verlag)

Das „Faktastisch“-Buch (Bild: Riva Verlag)

Dass der Verlag weiterhin Bücher dieser Art veröffentlicht, dürfte mit darin begründet liegen, dass das Geschäft für beide Seiten attraktiv ist. Geht man von einer branchenüblichen Kalkulation aus (sowohl der Mairisch Verlag als auch Voland & Quist haben dazu interessante Informationen veröffentlicht), können bei Bücherveröffentlichungen die Umsätze des Verlages zwischen 10 und 20 Prozent des Netto-Verkaufspreises betragen. Die meist in Taschenbuchform verlegten Facebook-Bücher des Riva-Verlages werden augenscheinlich relativ kostengünstig produziert; für Gestaltung und Lektorat wird offenbar ebenfalls relativ wenig Geld aufgewendet. Über das ebenfalls von Riva verlegte „Faktastisch“-Buch (mehr darüber in diesem Artikel von uns) beispielsweise beschweren sich bei Amazon diverse Rezensenten, dass ein Großteil der Fakten offenbar „erstunken und erlogen“ sei. Dass der Verlag offensichtlich so nachlässig lektoriert, legt die Vermutung nahe, dass er die Kosten offenbar niedrig hält und seine Umsätze in den genannten Fällen somit am oberen Ende des branchenüblichen Spektrums liegen. Rechnet man dies auf das „Made My Day“-Buch um, so hat der Verlag mit dem Titel (10 Euro Brutto-Verkaufspreis, angeblich 10.000er Startauflage) möglicherweise zwischen 18.000 und 19.000 Euro umgesetzt.

Auch für die Betreiber von Facebook-Seiten kann sich das Geschäft lohnen. Die Buchautoren erhalten in der Regel zwischen 6 und 10 Prozent des Netto-Verkaufspreises der verkauften Auflage. In den genannten Fällen dürften dies pro verkauftem Exemplar höhere zweistellige Cent-Beträge gewesen sein. Die ersten Verkaufsumsätze werden in der Regel mit einem Vorschuss verrechnet, der im Fall der erwähnte Riva-Bücher im vierstelligen Euro-Bereich gelegen haben dürfte. Läuft ein Titel gut, werden weitere Auflagen gedruckt und die Einnahmen des Autoren steigen. An dieser Stelle dürften die enormen Reichweiten, die einige Facebook-Seiten angehäuft haben, den Autoren helfen – so können sie darüber den Absatz pushen und möglicherweise sogar durch das Posten von Affiliate-Links an jedem Verkauf noch einmal zusätzlich verdienen.

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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