Amazon Attribution startet in Deutschland: Jetzt macht Amazon externe Werbeeffekte messbar

Gastautor5.10.2020

Vendoren können tracken, welche Effekte Google, Facebook & Co. auf ihre Amazon-Sales haben

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(Illustration: Virginia Miersch | OMR)

Welche Werbemaßnahme kurbelt wirklich in welchem Maß den Umsatz an und welche versandet – das sollen Hersteller und Markenartikler, die auf Amazon verkaufen („Vendoren“), künftig mit einem Tool von Amazon messen können. „Amazon Attribution“ ist, nach zweijähriger Vorlaufzeit, gerade in Deutschland und anderen großen europäischen Märkten gestartet. In einem Gastbeitrag für OMR erklärt Markus Caspari von der zu Dentsu gehörenden Agentur iProspect nicht nur, was das Tool kann und wo noch Luft nach oben ist, sondern analysiert auch, welche Rolle es in Amazons übergeordneter Strategie spielt und wie sich Amazon Attribution auf die E-Commerce-Strategien und Budget-Verteilungen von Unternehmen auswirken könnte.

„Amazon Attribution ist eine Analyse- und Messkonsole, mit der Marken ihre Werbe-Ergebnisse über mehrere Kanäle hinweg verfolgen können“, heißt es auf der vor wenigen Tagen aktualisierten deutschsprachigen Landingpage zum neuen Tool. Mit Amazon Attribution sollen Vendoren (für Seller, die auf Amazons Marktplatz verkaufen, ist das Tool aktuell offenbar nicht verfügbar) messen können, wie genau sich Suchmaschinenanzeigen, Social Media Ads, Display-Anzeigen, Video Ads und Werbe-Mails auf ihren Erfolg auf Amazon auswirken.

Launch in Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien

Vor zwei Jahren war das Tool in einem Beta-Test in den USA und Großbritannien gestartet (OMR berichtete schon damals). Nun ist es seit wenigen Tagen in Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und Kanada verfügbar. Die Nutzung ist – zumindest aktuell – kostenlos; Interessierte müssen sich jedoch per Formular um einen Zugang bewerben. In den USA und Großbritannien soll Amazon Attribution dem Vernehmen nach auch Sellern (also den Amazon-Marktplatz-Händlern) zur Verfügung stehen; in Deutschland ist es bislang meinen Informationen zufolge nur Vendoren zugänglich.

Wie funktioniert Amazon Attribution? Beim Aufsetzen des Tools müssen die Nutzer auf dem so genannten Order Level zunächst die ASINs („Amazon Standard Identification Number“, quasi das Pendant zur ISBN im Amazon-Kosmos) auswählen, die sie bewerben und tracken wollen. Als nächstes erstellen sie im Tool so genannte „Tags“, also Kürzel, die sie an die Ziel-URLs ihrer Werbemittel anhängen – ähnlich wie beispielsweise die UTM-Parameter, auf deren Basis Google Analytics trackt.

Ein umfangreiches Bild davon, was die Endkunden auf Amazon treiben

Klickt ein Kunde sich aus einem so vertaggten Werbemittel zu Amazon durch, liest Amazon diese Parameter aus. Von da an kann die Software dann das Verhalten des jeweiligen Nutzers messen und dokumentieren. Dabei wird nicht nur getrackt, ob ein Kunde ein Produkt des jeweiligen Vendors kauft, sondern auch, was er im Falle eines Nichtkaufs tut. So stehen den Amazon-Attribution-Nutzern eine Vielzahl von Metriken zur Verfügung, anhand derer sie ihr Marketing optimieren können sollen. Das Tool weist u.a. die Click-through-Rate (CTR), Aufrufe von Produktseiten (Detail Page Views, DPV), „Add to Cart“-Klicks (ATC) und weitere Kennzahlen aus.

Ein Einblick in das Backend von Amazon Attribution und in die Vielzahl der Kennzahlen, die sich die Nutzer anzeigen lassen können

Auf Basis der so erhobenen Daten kann sich für die Nutzer des Tools ein anderes Bild von der Wirksamkeit ihrer Werbemaßnahmen ergeben. Denn schließlich können sie erstmals (abgesehen von Amazon Advertising) nicht nur für ihre eigene Website messen, welche Folgen ihre Werbemaßnahmen haben, sondern auch für Amazon.

Licht und Schatten

Eine Analyse, die unsere Agenturschwester iProspect USA erstellt hat, ergab beispielsweise, dass der Return-on-Advertising-Spend (ROAS), den Google Ads innerhalb dieser Kampagnen generierten, nach Berücksichtigung der Daten von Amazon Attribution 25 Prozent höher als ursprünglich berechnet lag. Darüber hinaus zeigte sich, dass Googles allgemeine Suche sowie Google Shopping auch die Zahl der Abrufe von Produktdetailseiten (DPV) auf Amazon positiv beeinflusst: 48 Prozent der Google-Klicks hätten später zu DPV-Abrufen geführt. Insights wie diese können für jeden Vendoren außerordentlich wertvoll sein.

Ein kleines Manko von Amazon Attribution ist, dass es aktuell offenbar (noch?) nicht möglich ist, externen Traffic (der über Amazon Attribution getrackt wird) auf der einen und jenen, der über Amazon-eigene Werbeformate generiert wird, auf der anderen Seite miteinander abzugleichen. Zumindest war eine solche Deduplizierung von Traffic in den USA und Großbritannien nicht möglich, wie die ebenfalls zu Dentsu gehörende Agentur Merkle im Juni 2020 in einem Blog-Beitrag berichtete.

Profitieren Google und Facebook von Amazon Attribution?

Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Ein Nutzer klickt auf eine Facebook-Anzeige und landet über diese auf der Website des Herstellers. Einige Zeit später sucht er Amazon.de auf, nutzt dort die Suche, klickt auf eine Sponsored Products Ad (ein Amazon-eigenes Werbeformat), die derselbe Vendor geschaltet hat, und kauft dessen Produkt. Amazon Advertising wird nun diesen Sale für sich reklamieren und einen entsprechenden ROAS ausweisen. Auf der anderen Seite wird Amazon Attribution den gleichen Sale Facebook zurechnen. Die Zahl der insgesamt über beide Systeme attribuierten Sales kann also die der wirklichen Sales übersteigen, was Kampagnenmanagern bei der Auswertung möglicherweise einiges Kopfzerbrechen bereitet.

Trotzdem halte ich Amazon Attribution für ein sehr mächtiges Werkzeug und einen „no brainer“ für jeden Vendoren. Sollte das Tool weitflächig adaptiert werden, könnte es meiner Einschätzung nach spürbare Auswirkungen auf den E-Commerce- und digitalen Werbemarkt haben. Ich halte es für durchaus denkbar, dass Google und Facebook kurzfristig von Amazon Attribution profitieren.

Ein besserer Vergleich zwischen Amazon und dem eigenen Shop

Denn wenn eine Brand ihren Werbe-Euro beispielsweise in eine Google Search Ad investiert und in dieser die eigene Marken-Website verlinkt, kann sie jetzt nicht mehr nur (in ihren Digital-Analytics-Daten) sehen, welche Aktivitäten oder Bestellungen auf der Website getätigt werden. Durch Amazon Attribution kann sie nun auch tracken, ob diese Website-Besucher dann später auch bei Amazon waren und dort dann bestellt haben. Das ist deswegen möglich, weil Amazon Attribution nicht nur funktioniert, wenn auf Amazon verlinkt wird (in der Amazon-Terminologie „Link-In“), sondern auch auf eine externe Landingpage („Link-Out“). Infolgedessen wird sich der ROAS bei vielen Kanälen somit erhöhen – und damit im Nachgang auch die Spendings.

Warum aber führt Amazon ein Tool ein, dass im ersten Schritt möglicherweise das Werbegeschäft von Mitbewerbern stärkt? Weil, so glaube ich, das Tool mittel- und langfristig Amazon als Gesamtplattform stärken wird. Denn schließlich werden die Unternehmen künftig den direkten Vergleich haben, wie viel besser Amazon als Absatzkanal funktionieren kann, im Vergleich zu den eigenen Online-Shops der Hersteller und Marken.

Bislang dominiert bei Brands die „Hybrid-Strategie“

Natürlich: Die nackten Sales-Zahlen ihrer eigenen Shops konnten sie auch zuvor schon mit denen ihrer Amazon-Präsenz vergleichen. Es fehlten aber Vergleichsdaten dazu, wie viel effektiver und damit kostengünstiger es möglicherweise ist, Nutzer mit den Marketing-Maßnahmen zu Usability-Weltmeister Amazon statt zum eigenen Online-Shop zu führen. Nun könnte Amazon Attribution eine solche Vergleichbarkeit herstellen – und die wird vermutlich zeigen, dass die Conversion Rates bei Amazon in vielen Fällen besser sind. Das könnte zu Verschiebungen von internen Prioritäten sowie Marketing-Budgets zugunsten der Amazon-Stores und zulasten der eigenen E-Commerce-Brandwebsites führen.

Viele Brands haben in den zurückliegenden zwölf Monaten ihre E-Commerce und Direct-to-Consumer-Aktivitäten intensiviert. Corona hat diesem Trend nochmals einen weiteren, deutlichen Push gegeben. Häufig fahren die Unternehmen dabei bislang eine duale Strategie: Einerseits wollen sie von der enormen Reichweite und Sales-Power von Amazon profitieren und die Umsätze auf der Plattform steigern, andererseits möchten sie nicht mehr als unbedingt notwendig ihre Abhängigkeit von Amazon vergrößern, weswegen sie deshalb parallel auf den Ausbau des eigenen Online-Shops setzen.

Schwinden die Argumente für einen eigenen Shop?

Bei diesen Hybrid-Strategien – Amazon auf der einen, der eigene Store auf der anderen Seite – bewerben die Unternehmen bei ihren Digital-Marketing-Maßnahmen in der Regel die eigenen Stores. Und zwar nicht alleine, um die eigenen E-Commerce-Aktivitäten abseits von Amazon zu stärken. Sondern ganz einfach auch deswegen, weil sie nur innerhalb des eigenen Shops alle Traffic-Quellen tracken und damit auch einen Return-on-Invest, Return on Advertising Spend oder Advertising-Cost-of-Sale berechnen können. Nur hier lassen sich die Marketing-Investments den damit generierten Umsätzen gegenüberstellen, um dann im nächsten Schritt die Budget-Allokation und die Kampagnenaussteuerung zu optimieren.

Für die Steigerung der Sales auf Amazon selbst wird bislang neben Amazon Sponsored Ads auch auf die Amazon Demand Side Platform (die Plattform, über die Kunden Werbung auf Amazon einkaufen) gesetzt, weil es dort einen „Closed Loop“ (Investment vs. Outcome) gibt. Social Media und Search, aber auch Video- oder Display-Kampagnen, die nicht mit der Amazon DSP eingekauft wurden, werden meist nicht auf Amazon verlinkt, da der Erfolgs- und Rechtfertigungsdruck für die meisten Marketing Manager zu hoch ist. Es gibt lediglich die Möglichkeit, über Korrelationsanalysen zu identifizieren, wie sich die Amazon-Sales bei An- und Abschalten bestimmter Werbeaktivitäten verhalten. Eine Ausnahme bilden gelegentlich Kampagnen zur Optimierung des Amazon-SEO-Rankings, die direkt auf Amazon verlinken.

Nachrangig könnte auch die Amazon DSP profitieren

Durch die weitflächige Einführung von Amazon Attribution hat also Amazon DSP auf den ersten Blick ein Alleinstellungsmerkmal verloren, weil jetzt auch andere Traffic-Quellen wie Google oder Facebook genau so präzise getrackt werden können wie das Amazon eigene Produkt. Ich vermute, dass Amazon bereit ist, diesen USP aufzugeben, weil die Vorteile aus Amazon-Perspektive die Nachteile überkompensieren.

Denn zum einen profitiert die Amazon DSP indirekt durch Verlinkungen von Non-Amazon Advertising Media auf Amazon-Produktseiten, weil sich der potentielle Retargeting-Pool dadurch vergrößert. Darüber hinaus können Advertiser Overlap Reports erstellen zwischen dem Traffic von Social Media sowie den Amazon-Targetings und diese Insights für Kampagnen verwenden. Mittelfristig werden sich manche Unternehmen fragen, weshalb sie nicht gleich innerhalb des Amazon-Ökosystems bleiben, wenn Traffic – egal wo eingekauft und verlinkt – zu Sales bei Amazon führt.

Andere Retailer unter Zugzwang

Ein Marken-Hersteller, der einem Online-Retailer einen Werbekostenzuschuss (WKZ) für eine Digital-Promotion zahlt, erhält in vielen Fällen keine vollständige Transparenz darüber, welchen inkrementellen Zusatzabverkauf er dadurch erzielt. In manchen Fällen können Hersteller gar nicht überprüfen, welche Gegenleistung sie für ihren WKZ erhalten, außer, dass der Retailer Werbung schaltet. Ausführliche Reportings sind nicht immer der Standard.

Hier kann Amazon mit der neuen Transparenz punkten und sorgt für zusätzlichen Druck auf die WKZ-Budgets anderer Retailer. Das könnte diese bzw. andere Retail-Media-Anbieter dazu zwingen, das Tracken von externem Traffic möglich zu machen . Übrigens entwickeln Google mit „Shopping Campaigns with Partners“, Facebook mit den „Collaborative Ads“ und auch Criteo Werbelösungen, mit denen sie versuchen, dieses Dilemma der Hersteller zu lösen.

Und nicht zuletzt: Selbst wenn die Vendoren in einem ersten Schritt ihre Budgets in Richtung Google- und Facebook-Werbung verschieben, muss selbst dies nicht unbedingt ein Nachteil für Amazon sein. Denn der Konzern investiert bislang selbst gewaltige Summen in die Traffic-Akquisition. Wann also künftig die Kunden noch stärker den Traffic einkaufen, würde der E-Commerce-Gigant aus Seattle sogar noch Werbekosten sparen. In den Wirtschaftswissenschaften nennt man dieses Prinzip „Externalisierung interner Kosten“ – und Amazon ist darin ein Meister.

Über den Autor:

Porträt von Markus Caspari

Markus Caspari

Markus Caspari ist Director Performance Marketing bei iProspect, der laut iBusiness-Ranking größten Performance-Marketing-Agentur Deutschlands. iProspect gehört zur Agentur-Holding Dentsu. Der Autor ist dort auch Mitglied des E-Commerce Competence Center.

Caspari berät und unterstützt derzeit vor allem Kunden in ihren E-Commerce, Direct-to-Consumer und Retail Media Aktivitäten, insbesondere auch in den Amazon-Bereichen Sponsored Ads, DSP, A+ Content und Brand Stores. Aktuell ist er beispielsweise für die Marken Aptamil, Milupa und Nutricia im Digital Marketing für die DACH-Region aktiv und darüber hinaus mit seinem Team für die Social Media und Search-Aktivitäten der Bundesregierung zuständig.

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