Alex Graf: „Zalando und About You müssen sich wegen Amazon gerade keine Sorgen machen“

Martin Gardt30.10.2019

Der E-Commerce-Experte spricht im OMR Podcast über deutsche Hidden Champions und schlafwandelnde Traditionsunternehmen

Alex Graf mit Philipp
Alex Graf (r.) war zu Besuch im OMR-Office, hat Podcast aufgenommen und neben Philipp Westermeyer posiert.

Es ist mal wieder Zeit für einen Blick auf die deutsche E-Commerce-Landschaft. Dafür gibt es kaum einen besseren Experten als Spryker-CEO Alexander Graf. Der spürt dank vieler Kontakte in die Branche und seines Kassenzone-Podcasts immer wieder aktuelle Entwicklungen auf – und hat für den OMR Podcast die spannendsten mitgebracht. Warum Alex Graf über aktuelle Aussagen der Rossmann-Chefetage nur den Kopf schütteln kann, welche deutschen Nischen-Shops ihn derzeit begeistern und weshalb er Amazon auf dem absteigenden Ast sieht, erfahrt Ihr hier.

Viele von Euch dürften Alex Graf bereits kennen. Er führt das E-Commerce-Software-Unternehmen Spryker, betreibt das Blog Kassenzone mit passendem Podcast und unterstützt das OMR-Team bei der Planung von E-Commerce-Themen auf dem OMR Festival. Um all das soll es in der neuen Ausgabe des OMR Podcasts aber nicht gehen, Alex (auf Twitter als Supergraf unterwegs) findet stattdessen mahnende Worte für das deutsche Traditionsunternehmen Rossmann. 

Deshalb wird es für klassische Einzelhändler gefährlich

Er spielt vor allem auf die Aussagen an, die Rossmanns Führungsriege (namentlich Dirk und Raoul Rossmann) zuletzt in einem als Podcast veröffentlichten Gespräch mit Springer-Manager Christoph Keese getroffen hatten. Dort hatten die beiden erzählt, die E-Commerce-Ambitionen des Unternehmens nur auf kleiner Flamme brennen zu lassen, weil es keine profitable Strategie geben könne. Graf könne das auf der einen Seite verstehen, sehe aber langfristig das Geschäft von Rossmann in Gefahr. „Wenn man alle Faktoren betrachtet und alle Learnings der letzten Jahre anschaut, werden viele sagen: Okay, vielleicht gibt es derzeit noch kein rossmann.de-Modell, mit dem sie Geld verdienen können“, sagt Graf. „Aber wenn du jetzt nicht anfängst, in Infrastruktur oder Leute zu investieren, wird dir in sechs bis sieben Jahren die Kompetenz fehlen, die Kunden wieder zurückzugewinnen. Und dann bist du das nächste Quelle oder Schlecker.“

Ein Unternehmen, das laut Graf solchen verschlafenen Traditionshäusern Kunden wegschnappen könnte, ist Picnic aus den Niederlanden (Gründer Michel Muller war als Speaker auf dem OMR Festival 2019 zu Gast). Der Online-Supermarkt beliefert mit selbst hergestellten Elektroautos auch Kunden in Deutschland und bietet Produkte von großen Supermärkten, Bauern oder Bäckern der Region an. „Picnic hat das geschafft, was der Lebensmitteleinzelhandel bisher nicht geschafft hat. Sie haben eine Online-Lieferkette aufgebaut, die sie komplett selbst steuern“, so Graf. Mit den eigenen Fahrzeugen und Standorten in den Städten im Liefergebiet löse das Unternehmen das Letzte-Meile-Problem. „In dem Modell ist so viel Puffer drin, warum sollen sie das nicht auch für Drogerie-Waren umsetzen können“, sagt er.

Nischen-Champions nutzen die Amazon-Probleme

Neben solchen Logistik-Storys seien Unternehmen im E-Commerce derzeit nur auf zwei Wegen erfolgreich: Entweder als großer Marktplatz (wie Amazon, Otto, usw.) oder als Spezialist, der seine Nische dominiert. Als Erfolgsbeispiel für den Nischen-Champion falle Graf immer wieder das Musikhaus Thomann ein: „Thomann ist ein Case, den es in einer Amazon-Welt eigentlich nicht hätte geben dürfen.“ Der Online-Shop-Marktführer für Musikinstrumente und Audio-Equipment peile innerhalb der nächsten zwei Jahre einen Umsatz von einer Milliarde Euro an. Der Erfolg habe zwei Gründe: Thomann betreibe ein Service-Center, das kompetente Beratung zu den Produkten liefere und spiele auf den Produktseiten genau den richtigen Info-Content – inklusive Hunderter ausführlicher Bewertungen zu den Produkten. Thomanns Umsatz wachse derzeit Jahr für Jahr zweistellig bei einer schon bestehenden großen Kundenbasis. „Da wird es Amazon extrem schwer haben, den Traffic in dem Segment wieder zurückzuholen“, sagt Alex Graf.

Insgesamt sehe er Amazon derzeit sehr kritisch: „Auf der Händler/Hersteller-Seite hat Amazon in den vergangenen Jahren massiv versagt. Ich kenne keinen Händler oder Hersteller, der sagt: ‚Ich mache ein Mega-Business und wir werden gemeinsam groß.'“ Amazon ziehe durch den Fokus auf Werbeeinnahmen immer mehr Marge von den Händlern ab und vergraule mittlerweile auch schon die Kundenseite. Viele Produkte seien wenig oder gar nicht bewertet, das Misstrauen der Kunden gegenüber der Plattform und zwielichtigen Händlern, die Fälschungen verkaufen, steige. „Die Unzufriedenheit der Händler, das veraltete System und der durchgewirbelte Produktkatalog sind absolute Schwachstellen“, sagt Alex Graf. „Zalando und About You müssen sich gerade gar keine Sorgen wegen Amazon machen.“

Welcher weiterer Nischen-Shop Graf mit seiner Digitalstrategie aktuell begeistert, warum er nicht an den langfristigen Erfolg von Snipes glaubt und welche Plattform in den Niederlanden zeigt, wie man Amazon Paroli bietet, hört Ihr im neuen OMR Podcast.

Unsere Podcast-Partner im Überblick:

Auch diese Woche gleich zu Beginn ein kurzer Hinweis auf unseren Partner Vodafone und vor allem den nächsten Stop auf der Future Connect Tour. Am 7. November sind die Kollegen in München vor Ort und wir haben mit am Programm geschraubt. Wenn Ihr also Zukunftstechnologien wie 5G hautnah erleben und lernen wollt, wie Ihr sie für Euer Business einsetzen könnt, dann schaut vorbei, Ihr könnt Euch ganz einfach hier anmelden. Eine Woche später sind wir dann zusammen mit Vodafone auch in Stuttgart am Start – auch hierfür findet Ihr hier alle Infos.

Anexia kann man durchaus als ungewöhnliche Firma bezeichnen. Der Gründer Alexander Windbichler hat vor zwölf Jahren angefangen – und ist heute erst 32 Jahre alt. Mittlerweile hat er 200 Mitarbeiter, zehn Büros weltweit und zwei verschiedene Produktbereiche: IT-Services, vor allem Hosting, und Softwareentwicklung, im Wesentlichen von Apps. Das „App Starter Kit“ soll helfen, die Konzeptionierung einer App im allerersten Offline-Schritt auf das nächste Level zu bringen. Wer sich das kostenlose und limitierte Kit auch mal anschauen möchte: Schnell auf app-starter.com gehen. Eine zweite Brand der Firma ist Netcup – auch im Hosting unterwegs (Webhosting ab 1,99 Euro pro Monat). Und die Kollegen suchen derzeit neue Mitarbeiter, da solltet Ihr Euch einfach hier mal umschauen. 

Newsletter2Go ist Euer Partner für E-Mail-Marketing. Mit 65 Mitarbeitern bringt es das Unternehmen auf aktuell 185.000 Kunden. Das Produkt für E-Mail-Marketing und Newsletter-Kampagnen dürften viele von Euch bereits kennen, jetzt haben die Kollegen sich aber zusätzlich etwas neues ausgedacht. Mit der Newsletter2Go Academy könnt Ihr alles rund um den Kanal lernen, z.B. Verteiler-Aufbau, Optimierung von Öffnungs- und Klickraten und vieles mehr. Wenn Ihr Euch in dem Bereich also gerade weiterbilden wollt, seid Ihr hier richtig.

Am Ende noch ein Hinweis in eigener Sache: Wir haben Zuwachs bekommen! Lange lag das Projekt so ein wenig in der Schublade, jetzt geht es endlich so richtig los. Mit Finance Forward wollen wir gemeinsam mit der Capital eine Medienmarke zu Fintechs, Banken, Blockchain und allem was dazu gehört etablieren. Caspar Schlenk und Niklas Wirminghaus haben diese Woche schon richtig losgelegt – unter anderem mit einer Geschichte zum ersten Pitchdeck von N26 und (natürlich) mit einem eigenen Podcast. Schaut mal rein unter financefwd.com.

Alle Themen des Podcasts mit Alex Graf im Überblick:

  • Alex Graf hat Anfang 2018 seine Amazon-Agentur verkauft. Wie lief das Geschäft zu der Zeit? (ab 04:06)
  • Warum glaubt Alex Graf nicht an das neue Shop-Konzept von Snipes, von dem Gründer Sven Voth zuletzt im OMR Podcast erzählt hat? (ab 05:52)
  • Wieso sieht er die Entwicklung bei der Drogerie-Kette Rossmann derzeit so kritisch? (ab 14:26)
  • Wieso könnte ein Unternehmen wie Picnic aus den Niederlanden für klassische Einzelhändler wie Rossmann, Dm, Rewe, usw. gefährlich werden? (ab 20:41)
  • Schwimmt Flaschenpost auf der gleichen Erfolgswelle mit? (ab 28:22)
  • Ein paar kurze Worte zu seinem eigenen Unternehmen Spryker (ab 31:52)
  • Warum ist das Musikhaus Thomann ein Hidden Champion im E-Commerce-Business? (ab 34:21)
  • Wie kann “Sport Tiedje” den Online-Markt für Sportgeräte in einer Amazon-Welt dominieren? (ab 39:30)
  • Wieso funktionieren nicht alle Nischen-Shops so gut, obwohl sie trotzdem viel richtig machen? (ab 42:00)
  • Viele Experten sehen Amazon weiter wachsen. Alex Graf ist derzeit eher Amazon-Zweifler. Wie kommt’s? (ab 44:42)
  • Ein Blick nach Holland zeigt, wie clevere E-Commerce-Plattformen Amazon Widerstand leisten können (ab 51:41)

Viel Spaß beim Anhören – und vielen Dank für jede positive Bewertung!

About YouAlexander GrafAmazonE-CommerceOMR PodcastZalando
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

Alle Artikel von Martin Gardt

Ähnliche Artikel

Aktuelle Stories und die wichtigsten News für Marketeers direkt in dein Postfach!
Zeig mir ein Beispiel