Wie Burda versucht, mit Bestcheck Google und Springer Marktanteile abzunehmen

Neuer Geschäftsbereich hat „hohe strategische Bedeutung“

einkaufswagen

Relativ unbemerkt von Branche und Öffentlichkeit hat Burda vor wenigen Monaten mit Bestcheck.de einen neuen Preisvergleichsdienst ins Netz gebracht. Offensichtlich will das Unternehmen versuchen, in dem scharf umkämpften Segment den Marktführern Google (Google Shopping) und Springer (Idealo) Nutzer abzujagen. Online Marketing Rockstars hat sich das Projekt genauer angesehen, bei Burda nachgefragt und die Erfolgschancen analysiert. „Wo Deutschland vergleicht“ – es ist ein äußerst ambitionierter Claim, mit dem Bestcheck.de gelauncht ist. Auf der Seite sollen Nutzer nach Produkten suchen und die günstigsten Preise finden können. Verfügbar sind nicht nur Informationen aus den für Preisvergleiche typischen Warensegmenten Elektronik und Computer, sondern noch deutlich mehr: So lassen sich auch Grills, Koffer, Fahrräder und Musikinstrumente auf Bestcheck.de recherchieren.

Die Startseite von Bestcheck.de (Screenshot)

Die Startseite von Bestcheck.de (Screenshot)

Ein Preisvergleichsdienst wie andere auch

Im Aufbau unterscheidet sich Bestcheck nicht wesentlich von anderen Preisvergleichsdiensten: Wer sich zu einer Produktdetailseite durchklickt, wird dort mit einem großen Produktbild sowie der Empfehlung eines bestimmten Shops empfangen („Beliebtester Shop“), der nicht zwangsläufig den günstigsten Preis anbietet. Darunter finden sich, preislich gestaffelt, die Übersicht darüber, wie viel das jeweilige Produkt in allen Bestcheck-Partnershops kostet, in denen es verfügbar ist. Klickt ein Nutzer sich zu einem Shop durch und kauft dort etwas, erhalten die Bestcheck-Betreiber eine Provision.

Bastian Stein

Bastian Stein

Eine Nachfrage bei der im Impressum als Betreiberin aufgeführten Chip Digital GmbH (Teil von Burda Forward) ergibt, dass Bestcheck die Ausgliederung des Preisvergleichs von Chip.de ist. „Der Chip-Preisvergleich war jahrelang ein wichtiger Bestandteil von uns, aber zu sehr auf Technik-Produkte limitiert. Bestcheck ist darauf ausgelegt, irgendwann das gesamte Spektrum verfügbarer Waren abzudecken“, sagt Bastian Stein, „Product Owner“ bei Burda Forward, und damit seit Januar für das Projekt Bestcheck hauptverantwortlich. Alle Fragen von Online Marketing Rockstars über Bestcheck möchte er nicht beantworten – etwa die, wie viele Menschen an dem Projekt mitarbeiten. Deutlich wird in jedem Fall: Der neue Preisvergleich soll größer werden und besser laufen als der alte. Bestcheck ist seit rund drei Monaten online; vor wenigen Tagen haben die Macher mit einem Artikel auf Chip.de zum ersten Mal überhaupt ein wenig für die neue Seite getrommelt.

Bereits siebenstellige Besucherzahlen

Rund 2,5 Millionen Besuche hat die Website Schätzungen des Statistikdienstes Similarweb zufolge jeweils in den beiden zurückliegenden Monaten verzeichnet. Die Zahl der Unique User dürfte im Bereich von zwei Millionen liegen. Der Großteil davon – laut Similarweb 74 Prozent – ist offenbar über Links von Chip.de zu Bestcheck gelangt, der Rest kam über Google auf die Seite.

Die Besucherentwicklung von Bestcheck.de laut Similarweb

Die Besucherentwicklung von Bestcheck.de laut Similarweb

Bestcheck leitet die Besucher dann an Partnershops weiter – aktuell sind 235 Shops auf der Seite gelistet. Den Löwenanteil der User vermitteln die Betreiber laut Similarweb (65 Prozent) an Amazon. Danach folgen mit deutlichem Abstand Cyberport, Notebooksbilliger und Ebay (4 bis 4,5 Prozent).

Kommt ein Kreditkartenvergleich dazu?

Bestcheck ist bei weitem nicht der erste und einzige Preisvergleichsdienst im Markt – doch offenbar knüpft Burda große Hoffnungen an das Projekt. In Stellenausschreibungen ist vom „Aufbau eines neuen E-Commerce-Bereiches Bestcheck mit hoher strategischer Bedeutung für Burda Forward“ zu lesen. Aktuell wird für Bestcheck unter anderem ein „UX-Designer/Growth Hacker“ und ein PHP-Engineer, sowie ein Portalmanager für Cardscout.de gesucht, der „das komplette Transaktions-Team beim Aufbau eines neuen E-Commerce Bereiches Bestcheck“ unterstützen soll. Cardscout.de ist ein Kreditkartenvergleichsportal, das schon länger besteht und bislang unter dem Focus-Banner betrieben wird. Möglicherweise soll dies künftig dem neuen Bereich zugeordnet werden.

Bislang besteht Bestcheck vor allem aus der erwähnten Website sowie ergänzenden iOS- und Android-Apps. Laut dem App-Statistik-Dienst Priori Data sollen diese beiden bislang aber insgesamt erst 5.000 Mal heruntergeladen worden sein.

Kampf um Google Traffic hat sich verschärft

Wichtigster Besucherzulieferer für Preisvergleichsdienste ist seit Jahren traditionell Google. Aber der Wettbewerb um den Google-Traffic hat sich innerhalb der vergangenen Jahre sehr verschärft. Durch diverse Algorithmus-Updates haben viele kleinere Preisvergleichsdienste extrem an Traffic und Bedeutung verloren. Noch schwieriger ist es geworden, nachdem Google mit Google Shopping erfolgreich ein eigenes Produkt am Markt etabliert hat. Immer wieder sind Vorwürfe von anderen Marktteilnehmern zu hören, dass Google die Sichtbarkeit von Mitbewerbern herabstufe und gleichzeitig das eigene Produkt pushe. Hinzu kommt: Immer mehr Nutzer nutzen zur Produktsuche nicht Google, sondern besuchen direkt den größten Marktplatz: Amazon. In den USA soll der Anteil dieser Nutzer bereits bei 55 Prozent liegen. Dieser Traffic-Anteil geht den Intermediären verloren.

Offenbar erachtet Burda das Geschäft mit Preisvergleichsdiensten trotzdem noch als attraktiv. Unzweifelhaft ist: Der Markt ist groß und bietet ein enormes Umsatzpotenzial. Die gesamte Branche setzt alleine in Deutschland jährlich möglicherweise einen hohen zweistelligen bis niedrigen dreistelligen Millionenbetrag um.

Idealo ist aktuell mehr als zehn Mal so groß

Aktuell dürften Google und Springer den Großteil dieser Summe untereinander aufteilen. Der US-Digitalgigant dominiert den Markt; das deutsche Verlagshaus ist mit der Idealo-Gruppe (Idealo und Ladenzeile) einer der wenigen Player, die sich noch ganz gut halten können. Bastian Stein scheut den Wettbewerb nicht: „Wir haben ja im Netzwerk von Burda Forward mit Seiten wie Focus, Netmoms und Finanzen100 eine extreme Reichweite. Da müssen wir vor anderen Playern keine Angst haben.“

Offensichtlich hat Burda noch einen sehr weiten Weg zu gehen: Der Chip-Preisvergleich war bislang nicht in den Top 10 vertreten. Die Größenunterschiede verdeutlicht auch ein Vergleich der Zahl der Partnershops: Während Bestcheck aktuell 235 davon listet, beziffert Springer die Zahl der Idealo-Partnerhändler auf 58.400.

Zweistelliger Millionen-Gewinn für Springer

Umsatz und Gewinn von Idealo weist Axel Springer im Geschäftsbericht nicht gesondert aus. Die Idealo-Gruppe ist Teil des Geschäftsbereichs „Reichweitenvermarktung“, zu dem auch das Frauenportal Aufeminin, Bonial mit Prospektportalen wie Kaufda, das Wirtschaftsportal finanzen.net und der ebenfalls im Finanz-Bereich tätige Web-Dienstleister Smarthouse (im Mai dieses Jahres an Adesso verkauft) gehör(t)en. Im Geschäftsjahr 2015 hat dieses Segment ein EBITDA (Gewinn vor Steuern und Abschreibungen) von 88 Millionen Euro erwirtschaftet. Deutlich mehr als die Hälfte davon, dürfte auf Idealo zurückzuführen gewesen sein. Die Unternehmensgruppe ist für Springer vermutlich neben dem Classifieds-Geschäft digital der größte Geldbringer sein. Das Geld dürfte aber nicht alleine aus Deutschland gekommen sein: Idealo ist auch in anderen europäischen Ländern aktiv.

Der Erfolg von Idealo mag zum Teil daher rühren, dass Springer im Gegenteil zu eigenständigen Preisvergleichern ohne redaktionelle Inhalte eigene relevante Reichweiten hat, mit denen der Medienkonzern Idealo Besucher zuführen kann, beispielsweise über Preisvergleiche auf Autobild und Computerbild. Durch die Vernetzung mit den redaktionellen Angeboten steigt auch das Ansehen von Idealo bei Google. Denn wenn Springers starke Medienmarken auf Idealo verlinken, nützt das dem Ranking des Preisvergleichs bei Google.

Idealo gibt viel Geld für Adwords aus

Offenbar kauft Springer mittlerweile aber auch für viel Geld über Adwords-Anzeigen Besucher bei Google ein. Im Jahr 2014 war Idealo Schätzungen zufolge drittgrößter Adwords-Spender in Deutschland. Mitbewerber glauben offenbar, dass dies auch das Ranking von Idealo positiv beeinflusst. „Es ist schon auffällig, dass große Unternehmen wie Idealo und Billiger.de, die viel Geld für Googles Suchwortanzeigen Adwords ausgeben, in den organischen Suchergebnissen deutlich weniger gelitten haben als andere Marktteilnehmer“, sagt etwa Markus Kohlmüller vom mittlerweile nahezu bedeutungslosen Mitbewerber Yopi.

Die Entwicklung der Google-Sichtbarkeit von Bestcheck.de laut Sistrix

Andre Alpar

Andre Alpar

Ob Burda mit Bestcheck in einem solch harten Wettbewerbsumfeld überhaupt eine relevante Größe erreichen kann, muss das Projekt erst beweisen. Zum Launch hat die Website laut SEO-Analytics-Tool Sistrix eine recht ansehnliche Sichtbarkeit bei Google aufbauen können. „Möglicherweise hat Bestcheck da einen Newbie-Bonus bekommen“, sagt SEO-Experte Andre Alpar von der Agentur Performics (ehemals AKM3) auf Anfrage von Online Marketing Rockstars. Wegen des Ranking-Algorithmus „Query Deserves Freshness“ (in etwa: „Anfrage verlangt frische Ergebnisse“) bevorzugt Google bei bestimmten Suchanfragen, in Bereichen, in denen sich durchgängig viel verändert, jüngere Webseiten. Möglicherweise gehören gewisse Produktbereiche, in denen viel Bewegung ist (wie etwa Smartphones), dazu.

Die Entwicklung der Google-Sichtbarkeit des Chip-Preisvergleichs und von Bestcheck.de im Vergleich

Sichtbarkeit von Bestcheck bei Google sinkt aktuell

Doch kurz nach dem Start ist die Sichtbarkeit von Bestcheck bei Google wieder zurückgegangen. „Das war eine bewusste Entscheidung von uns“, sagt Bastian Stein. „Wir haben im Rahmen einer SEO-Initiative alle Produkte aus dem System gelöscht, zu denen es keine aktuellen Angebote mehr gab. Unsere Nutzer danken es uns, wir haben jetzt nur noch nutzwertige Produkte/Inhalte auf der Seite.“

SEO-Experte Andre Alpar sagt, Bestcheck habe gleich auf Anhieb sehr viele Seiten von Google indexieren lassen. „Mit einer ganz neuen Domain ist das eher schwierig. Aus Sicht von Google ist das so, als ob man jemanden neu kennenlernt und der einem sagt: ‚Du kannst mich zu jedem Thema um Rat fragen, ich bin Fachmann für alles!’“ Der SEO-Experte hätte zu einem anderen Indexierungsmanagement geraten. „In meinen Augen ist es klüger, erst einmal in einem Bereich Autorität aufzubauen, und die dann erst langsam auf andere Bereiche auszuweiten. Ich kann die Website ja breit aufstellen, muss aber der Suchmaschine nicht gleich alles zeigen.“ Sistrix beziffert die Zahl der indexierten Seiten von Bestcheck.de derzeit auf mehr als 200.000.

Die Entwicklung der Google-Sichtbarkeit von Idealo (grün) im Vergleich zum Chip-Preisvergleich und zu Bestcheck

Aktuell ist Bestcheck in puncto Google-Sichtbarkeit gerade erst dort, wo der Preisvergleich von Chip zuletzt war – nachdem dessen Sichtbarkeit zuvor über zwei Jahre hinweg bereits stetig abgenommen hatte. Von der Sichtbarkeit von Idealo ist das Burda-Projekt noch ganz weit entfernt.

Das Potenzial dürfte deutlich größer sein – hat Burda mit Focus und Chip doch starke Medienmarken im Portfolio, die durch Verlinkungen auf Bestcheck abstrahlen könnten. „Wenn man es mit SEO hinbekommt, Besucher kostenfrei auf die Website zu lenken, kann ein Preisvergleich für den Betreiber äußerst lukrativ sein“, so Alpar. Ob Burda dieses Manöver gelingen kann – darüber zu urteilen dürfte drei Monaten dürfte noch zu früh sein.

 

Update, 12. Oktober, 9:54 Uhr: Ulf Heyden von Burda-Tochter ForwardNews+ hat in einem Interview mit Affiliat-Conference.de erklärt: „Wir planen BestCheck 2017 mit weiteren Verticals zu Geldanlage, Krediten und Kreditkarten usw. auszustatten.“ Bereits jetzt erwirtschafte Burda 25 Prozent des Umsatzes mit Affiliate Marketing. „Wir haben bei BurdaForward vor gut einem Jahr in einem Strategie-Prozess das Thema „Content-Commerce“ als Kernstrategie im News-Hub unserer BurdaForward Portale identifiziert.“

Update, 7. Oktober, 9:27 Uhr:

Wir haben den Text um ein Zitat von Bastian Stein zur SEO-Strategie von Bestcheck ergänzt.

Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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