Auto1 wurde mit Glas-Trucks und Geheimplänen zum Milliarden-Business – und jetzt?

Florian Rinke22.1.2023

Im OMR Podcast spricht CEO Christian Bertermann über Gründung und Strategie des Tech-Konzerns

Christian Bertermann und Philipp Westermeyer bei der Podcast-Aufzeichnung in der Berliner Auto1-Zentrale. Foto: Auto1
Christian Bertermann und Philipp Westermeyer bei der Podcast-Aufzeichnung in der Berliner Auto1-Zentrale. Foto: Auto1

Christian Bertermann und Hakan Koc haben mit Auto1 Europas größten Gebrauchtwagenhändler aufgebaut. Doch lange hat davon niemand etwas mitbekommen. Dann katapultiere sie der Einstieg von Softbank an die Spitze der heißesten deutschen Startups. Doch nach dem Börsengang ging es für die Aktie des Unternehmens auch ebenso steil bergab. Im OMR Podcast erklärt Christian Bertermann, wie es wieder nach oben gehen soll – und welche Rolle dabei gläserne Lkws spielen.

Als Bertermann und Koc auf dem vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere stehen, scheint keine Idee zu groß: Warum nicht Auto-Supermärkte bauen; riesige Geschäfte, in denen die Kunden sich ihren Gebrauchtwagen einfach mitnehmen können, so wie im normalen Supermarkt das Paket Nudeln oder den Liter Milch? Am Ende entschieden sie sich für das Gegenteil – einen Lieferdienst. Wer bei der Auto1-Tochter Autohero online einen Gebrauchtwagen kauft, bekommt ihn von einem Truck mit verglastem Heck nach Hause geliefert, inklusive 21 Tagen Geld-zurück-Garantie.

Die Geschichte vom Auto-Online-Kauf begeistert den Kapitalmarkt in jenen Tagen im Frühjahr 2021. Als Auto1 an die Börse geht, schnellt der Kurs auf mehr als 50 Euro in die Höhe. Die beiden Gründer, die beim Börsengang noch immer rund ein Viertel der Anteile halten, sind auf dem Papier Milliardäre. Doch Christian Bertermann sagt im OMR Podcast, darum sei es nie gegangen: „Wir haben den Börsengang gemacht, um Wachstumskapital einzusammeln.“ Es sei darum gegangen, den Online-Handel mit Gebrauchtwagen aufzubauen.

Auto1 wird Marktführer in Europa

Bertermann und sein Mitgründer lernen sich während ihrer Zeit bei Rocket Internet kennen. Die beiden sind dort für unterschiedliche Startups im Einsatz, die von der Berliner Gründerfabrik angeschoben wurden. Sie verstehen sich gut – und beschließen gemeinsam zu gründen. 2012 entsteht Auto1, zunächst unter höchster Geheimhaltung. Denn die beiden wollen nicht, dass ihr Ex-Arbeitgeber zu schnell davon Wind bekommt und das Modell dann mit viel Kapital nachbaut. „Zu der Zeit war Rocket ja einfach Goliath. Und wir waren ja nicht mal ein halber David“, sagt Christian Bertermann im OMR Podcast.

Per Glas-Truck liefert Autohero Gebrauchtwagen an die Kund*innen. Foto: Autohero

Per Glas-Truck liefert Autohero Gebrauchtwagen an die Kund*innen. Foto: Autohero

Unter der Marke Wirkaufendeinauto.de kaufen die beiden Gebrauchtwagen von Autobesitzern auf und verkaufen sie anschließend über einen eigenen Marktplatz an Autohändler weiter. Das Geschäft bindet viel Kapital und ist nicht besonders margenstark, doch der Markt – und damit das Potenzial – ist gigantisch.  „Der Automarkt ist ja unglaublich fragmentiert. Es sind ungefähr 200.000 Händler in Europa. Und die Top 10 halten nicht mal drei Prozent Marktanteil oder so“, sagt Christian Bertermann. Vollgepumt mit Risikokapital, unter anderem vom Großinvestor Softbank, wird Auto1 größer und größer. Inzwischen ist das Unternehmen nach eigenen Angaben die größte Handelsplattform für Gebrauchtwagen in Europa. 

Wie geht es weiter mit dem Hertha-Sponsoring?

Doch der Börsengang markiert eine Zäsur. Schon im Vorfeld hatte sich Co-Gründer Hakan Koc (hier 2019 mit anderen Gründern zu Gast im OMR Podcast) aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und war in den Aufsichtsrat gewechselt. Christian Bertermann führt das Unternehmen also CEO alleine weiter. Gleichzeitig schlägt die Stimmung um. Viele Investoren sehen Auto1 plötzlich kritischer, blicken skeptisch auf die hohen Verluste, die allein 2021 bei rund 370 Millionen Euro lagen. Der Aktienkurs stürzt ab. Aktuell ist das Papier keine acht Euro mehr wert, der Börsenwert liegt bei rund 1,7 Milliarden Euro. Dennoch glaubt Christian Bertermann weiter an sein Unternehmen: „Mir ging es immer darum, eine ordentliche Firma zu bauen. Und ich glaube, auf dem Weg sind wir ganz gut unterwegs, aber dafür ist dieses Jahr auch mega entscheidend.“

Bis Ende des Jahres will die Auto1-Gruppe profitabel sein – trotz der Herausforderungen durch die hohe Inflation und die Zurückhaltung vieler Menschen beim Autokauf. Um dieses Ziel zu erreichen, werden auch die Ausgaben auf den Prüfstand gestellt, etwa beim Sponsoring. Zuletzt hat Auto1 viel Geld investiert, um Autohero bekannt zu machen, unter anderem als Sponsor bei Hertha BSC Berlin. Laut „Bild“ kostet die Berliner das Trikot-Sponsoring rund acht Millionen Euro pro Jahr. Der Vertrag läuft am Ende der Saison aus, es gibt allerdings die Option, um ein weiteres Jahr zu verlängern. Ob Auto1 sie auch zieht? Christian Bertermann will dazu nichts sagen. Klar ist, dass künftig weniger für Sport-Sponsoring ausgegeben werden soll, weil die Marke Autohero bekannter geworden ist. „Jetzt sind wir eigentlich auf Awareness-Levels und auch Image-Levels, die uns sehr zufrieden stellen, deswegen werden wir perspektivisch unser Engagement in dem Bereich (Sport-Sponsering, Anm. d. Redaktion) zurückfahren.“ 

Im OMR Podcast erzählt Christian Bertermann außerdem, wieso er lieber nicht auf der Forbes-Liste gelandet wäre, wie sein Bewerbungsgespräch mit Oliver Samwer lief und wie sein erster Ankauf eines Gebrauchtwagens lief, als ihm als Laien ausgerechnet ein Mechaniker einen Wagen vor die Tür stellte.

Die Themen des Podcasts mit Christian Bertermann im Überblick:

  • „Kannst du morgen anfangen?“ – Karrierestart bei Rocket Internet (00:01:30)
  • Die Entstehung von Auto1 und Wirkaufendeinauto.de (00:12:40)
  • Einstieg von Softbank und der Aufbau von Autohero (00:27:00)
  • Wieso Auto1 beim Retail-Geschäft auf Glastrucks setzt (00:41:00)
  • Wie Christian Bertermann nach dem Börsengang auf der Forbes-Liste landet (00:50:00)
  • Konkurrenz durch Cazoo & Co. und der Aufbau des Sport-Sponsorings (01:02:30)
  • Handelsnetzwerk erweitern? Die Reise von Hakan Koc in Afrika (01:13:00)

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Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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