Die verrückte Geschichte eines Ex-Boyband-Sängers, der heute ein Influencer-Imperium führt

Martin Gardt18.8.2017

"Spectacular" Blue Smith hat aus seinem Twitter-Erfolg ein Business mit Milliarden-Reichweite aufgebaut

Adwizar "Spectacular" Blue Smith
"Spectacular" Blue Smith

Erst Boyband-Rapper, dann Twitter-Champion und jetzt Geschäftsführer einer 25-Mann-Influencer-Bude in Los Angeles. „Spectacular“ Blue Smith zeigt, was in der Branche gerade mit guten Kontakten und ein paar verrückten Ideen möglich ist. Heute betreibt er über sein Unternehmen „Adwizar“ professionellen Reichweiten-Aufbau für die Social-Kanäle von Musikern wie Soulja Boy, Fat Joe oder Bow Wow – mit Clickbait, Visual Statements und Memes.

Schon als 11-Jähriger startet „Spectacular“ Blue Smith gemeinsam mit seinen Brüdern Corey „Slick’em“ Mathis und Diamond Blue „Baby Blue“ Smith in eine Musiker-Karriere. 2004 gründet ihr Vater Joseph „Bluestar“ Smith die Boyband „Pretty Ricky“, die mit ihrem Album „Late Night Special“ 2007 sogar auf Platz 1 der US-Charts landet. „Mein Vater – unser Manager und Label-Chef – verwaltete mein Geld bis in meine späten 20er. Er traf schlechte Entscheidungen und überließ mir nichts“, sagt „Spectacular“ Blue Smith zum US-Magazin Inc.

Adwizar Pretty Ricky

Pretty Ricky in der aktuellen Besetzung

Kurz nachdem ihn sein Vater 2011 aus dem Haus geschmissen habe, hätte ihm ein Freund erzählt, dass er mit Twittern Geld verdienen kann. „Wo unterschreibe ich?“, sei die Antwort gewesen. „Ich saß dann 18 Stunden pro Tag in der Bude meiner Freundin und habe an meiner Twitter-Seite gearbeitet. Innerhalb der ersten 30 Tage habe ich 15.000 US-Dollar mit Sponsored Posts verdient.“

Von Parodie-Accounts zum eigenen Business

In seinen ersten sechs Twitter-Monaten habe er so 100.000 US-Dollar verdient. Als ihm das Wachstum des eigenen Kanals dann nicht mehr schnell genug geht, erstellt Smith mehrere Parodie-Accounts über Jay-Z, Beyoncé, Will Ferrell, Angelina Jolie, Eddie Murphy oder von Grumpy Cat. So sammelt er erste Erfahrungen mit Reichweitenaufbau über witzige Bilder und Memes. Der Grumpy-Cat-Account ist zum Beispiel noch heute aktiv und kommt auf über 960.000 Twitter-Follower. Insgesamt folgen seinen Twitter-Accounts nach Smiths Aussage vier Millionen Nutzer.

Adwizar Grumpy Cat Twitter

Der Parodie-Account von Smith zum Thema Grumpy Cat

„Mein ganzes Business hat sich geändert, nachdem ich mit Soulja Boy und Sean Kingston gesprochen habe. Die hatten sechs und acht Millionen Follower bei Facebook, aber keine Ahnung, wie sie die monetarisieren sollten“, sagt Smith zu Inc. „Ich habe die Formel dann auf Facebook übertragen und eine erste Case Study mit Pretty Rick [seiner alten Band (die Red.)] gestartet.“ Das war im Juli 2015. Seitdem ist der Account von damals 450.000 auf über 7,5 Millionen Facebook-Fans gewachsen. „Als ich dieses System komplett verstanden hatte, konnte ich es skalieren und habe meinen ersten Klienten unter Vertrag genommen“, sagt Smith zu Forbes.

Clickbait, Visual Statements, Memes – Reichweite um jeden Preis

2015 gründet Smith dann sein Unternehmen „Adwizar“, mit dem er Musiker, Schauspieler und Sportler in ihrer Social-Strategie unterstützen und bei der Monetarisierung der Reichweite helfen will. Mittlerweile hat er 25 Mitarbeiter in Los Angeles und nach eigenen Aussagen über 100 Klienten – darunter R&B- & Hip-Hop-Künstler wie Soulja Boy, Bow Wow, Fat Joe und Trina mit mehreren Millionen Fans bei Facebook.

Bei einem Blick auf die Accounts wird schnell klar, wie Smith die Reichweite der Künstler ausbauen will und gleichzeitig monetarisiert. Im Profil des US-Rappers Soulja Boy postet Adwizar für die über zehn Millionen Fans immer wieder Clickbait-Artikel über einigermaßen passende Themen wie Drogen-Legalisierung. Dazu kommen unzählige Memes, also Bilder mit passenden witzigen Sprüchen, die offensichtlich von anderen Viral-Accounts geklaut sind. Laut eigener Aussage gehört es zur Strategie des Unternehmens, ohne das Zutun der Klienten Inhalte auf deren Facebook-Seiten zu posten. Die Künstler erhalten vorher vereinbarte Zahlungen nach der Größe ihrer Reichweite. Smith zahle mindestens 20.000 US-Dollar pro Monat. Adwizar nimmt nur Klienten mit über einer Million Facebook-Fans auf.

Adwizar Soulja Boy Stats

Page Impressions von Soulja Boys Facebook-Seite zwischen Juli 2015 und Mai 2017 (Quelle: Adwizar)

Wirklich eigene Inhalte von Soulja Boy finden sich kaum auf dessen Facebook-Seite. Die „Viral“-Inhalte sorgen aber trotzdem für riesige organische Reichweiten. Ein Meme-Post aus dem Dezember 2015 habe laut Adwizar über 57 Millionen Nutzer organisch erreicht und über 3,8 Millionen Likes und Kommentare ausgelöst. Insgesamt habe das Unternehmen für Soulja Boy mit der Strategie von Juli 2015 bis Mai 2017 über fünf Milliarden Nutzer auf Facebook erreicht. Auf alle Klienten gesehen habe Adwizar bisher mehr als 3,5 Milliarden Likes und Klicks generiert, sowie 139 Milliarden Impressions bei Facebook verzeichnet.

Monetarisierung auf zwielichtigen Webseiten

Viral-Content über reichweitenstarke Künstler-Seiten zu spielen ist zumindest clever, aber nicht gerade eine Erfolgsformel für die klassische Social-Media-Arbeit des Künstlers – der bei Facebook ja eher mit seinen Fans interagieren sollte und dann immer noch Alben und T-Shirts verkaufen kann. Daher wirken Smiths Aussagen wie diese etwas weit hergeholt: „Authentischer Content ist der einzige Weg. Wenn es künstlich oder in irgendeiner Weise forciert wirkt, kreiert man eine negative Reaktion der Follower.“ Im Endeffekt ist aber nichts künstlicher, als die Links zu Viral-Plattformen auf Soulja Boys Facebook-Seite.

Die Verweise auf Geschichten wie „A Weed Company Bought a Ghost Town for $5 Million and Is Turning It Into Pot Paradise“ oder „10 Threesome Sex Positions Guaranteed Give Both Your Partners Powerful Orgasms“, die sich auf mehrere von Adwizard betreuten Künstlerseiten finden, führen meist zu Jellyshare.com. Die Seite ist vollgepackt mit Content-Ads, die zu weiteren Websites mit Werbeartikeln für Online-Kasinos, Dating-Portale oder Online-Games führen. Immerhin ist Smith ganz ehrlich, was diese Strategie angeht: „Wir posten Clickbait-Storys, die relevant für die Brand der Künstler sind und auf welche ihre Fans klicken dürften. Und natürlich: Auf der Webseite bieten Advertiser auf die Banner-Plätze.“

Adwizar Jellyshare

Zu Seiten wie dieser leiten Adwizar-Links auf Facebook-Seiten der Klienten

Offenbar wechseln die URLs, zu denen er die Nutzer schickt des Öfteren. Derzeit ist es eben Jellyshare, 2016 war es vorrangig prettypicturewaves.me, die nicht mehr betrieben wird. Jellyshare kommt laut dem Analysetool Similar Web übrigens pro Monat auf über 1,4 Millionen Visits, zu den besten Zeiten im März 2015 waren es sogar knapp 5,5 Millionen. Weitere Links führen zu sosharethis.com, im Juli hatte die Seite laut Similar Web über sieben Millionen Visits.

Auch in Deutschland wird die Strategie genutzt

Die Taktik geht also offenbar zumindest in Sachen Reichweite auf. Schließlich kommen einzelne Memes auf Soulja Boys Facebook-Seite auf mehrere Tausend Likes und Hunderte Shares. Kein Wunder, dass auch in Deutschland C-Promis so ihre Reichweite nutzen. Das „bekannteste“ Beispiel ist wohl Prinz Marcus von Anhalt, der auf Facebook mittlerweile über vier Millionen Fans hat. Die Agentur Brandsinfluence aus Klagenfurt bespielt seinen Kanal ständig mit Viral-Content wie Visual Statements. Mit solchen Inhalten hatte der „Prinz“ zumindest zu Beginn den Großteil seiner Reichweite aufgebaut. Heute finden sich auf seinem Profil aber auch wieder verstärkt eigene Inhalte.

Bedeutet das also, dass selbst der letzte C-Promi mitbekommen hat, dass die Adwizar-Strategie nicht mehr funktioniert? Auf lange Sicht dürfte es sich für die Künstler nicht lohnen, ihre Fans mit generischem Viral-Content zu beschießen. Facebook geht mittlerweile verstärkt gegen Clickbait vor und will die organische Reichweite solcher Beiträge deutlich drosseln. Das dürfte über kurz oder lang auch Adwizars Geschäftsmodell gefährden. Aber solange „Spectacular“ Blue Smith noch kräftig an den Klicks der Fans verdient, wird er seine Strategie nicht ändern. 2016 hatte Adwizar einen Umsatz von zwei Millionen Dollar, wächst aber offenbar weiter kräftig.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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